Othmar Karas: „Mehr globale Regelungen statt mehr Deregulierung“

Mehr Deregulierung im Finanzsektor, oder noch mehr Regulierung? Was beide Seiten vereint, ist die Forderung nach dem Proportionalitätsprinzip.

Der Glaubenskrieg wurde in den USA neu entfacht. Denn der President-Elect Donald Trump hat angekündigt, die US-Banken deregulieren zu wollen. „Wir wissen, wie die Finanzwirtschaft global voneinander abhängig ist“, kommentiert das Othmar Karas, österreichischer Abgeordneter im Europäischen Parlament und Chefverhandler des Europaparlaments für das letzte Bankenreformpaket Basel III. Und Karas geht auf Gegenkurs zu Trump: „Wir benötigen mehr globale Regelungen und mehr Transparenz, nicht mehr Deregulierung.“ Denn wir müssten aus den Fehlern der Finanzkrise Lehren ziehen, und „wir sind noch nicht fertig“. Auf EU-Ebene ortet Karas Bedarf nach Optimierung der Kapitalvorschriften für die Banken und für die Neuregelung des „Proportionalitätsprinzips“. Die Definition von Eigenkapitalanforderung und Risiko müsse auf die unterschiedliche Realität der Situation der Banken angepasst werden. In der EU würden rund 80 % der Realwirtschaft über Kredite finanziert, in den USA hingegen 80 % über den Kapitalmarkt. „Beides braucht ein Level Playing Field“, fordert der Europapolitiker daher. Denn nach bisherigen Berechnungen würden von „Basel“ die EU-Banken überproportional belastet. „Das darf nicht passieren.“ Im Gegenteil, Kreditvergabe an KMU müsse erleichtert werden. „Ich fordere daher das Prinzip der Proportionalität bei der Bankenregulierung ein“, so Karas. Das heißt, dass die Regelungsprinzipien zwar auch für kleine Institute gelten, aber differenziert werde, ob es sich um regional oder global tätige Institute handelt, also Differenzierung nach Größe, Geschäftsmodell und unterschiedlichem Risiko. Außerdem müsse auf die Auswirkungen der Regelungen auf die Realwirtschaft Rücksicht genommen werden. Die Finanzkrise habe deutlich gemacht, dass es einer gemeinsamen Wirtschafts- und Fiskalpolitik bedürfe. Aber „wir sind auf halbem Weg stecken geblieben“, kritisiert der Europaparlamentarier. Aber beruhigt jene, die Überregulierung befürchten: Mehr globale Finanzregeln müssten „nicht zwangsläufig“ zu insgesamt mehr Regulierungsflut führen, denn er bleibe dabei: Für eine neue EU-Regel müsse eine nationale gestrichen werden. Die Bankenunion sei mit der gemeinsamen Aufsicht und dem Abwicklungsfonds noch nicht abgeschlossen: „Es fehlt noch die Einlagensicherung als dritte Säule.“ Zusätzlich gelte es, mit dem Aktionsplan zu einer „Kapitalmarktunion“ die Eigenkapitalmärkte zu stärken und so die Finanzierungsmöglichkeiten der Realwirtschaft zu erweitern.

 

Auf der Bremse, was neue Regulierungen betrifft, steht hingegen die Finanzbranche: „Die Kreditinstitute brauchen dringend eine Regulierungspause“, so der heimische Bankenverband zum Börsen-Kurier. Eine Pause, um kritisch zu prüfen, was notwendig ist und Sinn macht und wo man „über das Ziel hinausgeschossen“ sei. Und es sei „unverzichtbar“, spezifische nationale Zusatzbelastungen in Zukunft wieder zurückzunehmen. Denn die regulatorischen Anforderungen hätten in den letzten Jahren im Umfang und in der Detailtiefe ein „ungeahntes Ausmaß“ angenommen und würden eine enorme Kostenbelastung und Ressourcenbindung mit sich bringen. Einer Meinung ist man mit Karas bei der Forderung des Proportionalitätsprinzips: „Auch die Differenzierung nach Geschäftsmodell und konkreter Risikolage der einzelnen Institute kommt zu kurz.“ Was hingegen die Ebene der Bankenaufsicht betrifft, hält es der Bankenverband bei aller Bedeutung einheitlicher Aufsichtsstandards für mittelfristig notwendig, Routineentscheidungen „wieder in die einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden zurück zu verlagern“.

 

Autor: Mag. Manfred Kainz (redaktion@boersen-kurier.at)