Risiken für eine globale Erholung

Während der vergangenen zwei Jahre ist die Weltwirtschaft gewachsen. Aber sie fluktuierte zwischen Phasen rapiden Wachstums und solchen der Entschleunigung. Zwei Episoden insbesondere haben während dieser Zeit einen Rückgang der Aktienkurse in den USA und weltweit von rund 10 % verursacht.

Während der vergangenen zwei Jahre ist die Weltwirtschaft gewachsen. Aber sie fluktuierte zwischen Phasen rapiden Wachstums und solchen der Entschleunigung. Zwei Episoden insbesondere haben während dieser Zeit einen Rückgang der Aktienkurse in den USA und weltweit von rund 10% verursacht. Zeichnet sich hier ein Muster ab, oder wird sich die unbeständige globale Erholung stabilisieren?

Die erste Episode kam im August/September 2015, als viele Beobachter fürchteten, dass die chinesische Wirtschaft auf eine harte Landung zusteuere. Die zweite Episode im Januar/Februar 2016 rührte ebenfalls aus Befürchtungen über China her. Doch die Anleger waren zugleich zunehmend besorgt über das sich verlangsamende US-Wachstum, einbrechende Öl- und Rohstoffpreise, schnelle Zinserhöhungen seitens der US Federal Reserve und eine unkonventionelle Geldpolitik mit Negativzinsen in Europa und Japan.

Jede Entschleunigungsepisode dauerte etwa zwei Monate, und dann kehrte sich die Korrektur der Aktienpreise um. Die Befürchtungen der Anleger verwirklichten sich nicht, und die Notenbanken begannen, ihre Geldpolitik zu lockern oder setzten (im Falle der Fed) ihre Zinserhöhungen aus.

Als drittes Beispiel könnte man die Phase nach dem Brexit-Referendum Großbritannien im Juni 2016 anführen. Doch diese Episode war kurzlebiger, und sie verursachte keinen globalen Abschwung. Dies lag an der geringen Größe der britischen Volkswirtschaft und der gelockerten Geldpolitik dieser Zeit. Tatsächlich war die Weltwirtschaft in den Monaten vor Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten im November in eine neue Phase des Wachstums eingetreten, wenn auch in eine, in der das Wachstumspotenzial der entwickelten Länder und der Schwellenländer niedrig blieb.

Wir mögen noch immer in einer Zeit niedrigen potenziellen Wachstums leben, die der Internationale Währungsfonds als „neue Mittelmäßigkeit“ bezeichnet und die die Chinesen die „neue Normalität“ nennen. Und doch nimmt die Wirtschaftsaktivität in den USA, Europa und der Eurozone, Japan sowie wichtigen Schwellenmärkten zu.

Aufgrund neuer Konjunkturimpulse hat sich Chinas Wachstumsrate stabilisiert. Auch in Schwellenmärkten wie Indien, anderen asiatischen Ländern und sogar in Russland und Brasilien, die zwischen 2014 und 2016 Rezessionen erlebten, hat sich die Lage verbessert. Selbst bevor die US-Präsidentschaftswahl also zu „Trump-Geschäften“ inspirierte, signalisierte ein Trend hin zu riskanteren Anlageklassen eine neue Phase bescheidenen globalen Wachstums.

Die jüngsten Wirtschaftsdaten aus aller Welt legen nahe, dass sich das Wachstum nun beschleunigen könnte. Und doch lässt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass das derzeitige Wachstum einem neuerlichen globalen Abschwung – wenn nicht gar einem ausgewachsenem Konjunktureinbruch – Platz macht, wenn sich bestimmte Risiken verwirklichen.

So waren die Märkte in Bezug auf Trump eindeutig zu optimistisch. Der US-Präsident wird es nicht schaffen, irgendeinen seiner radikalen wachstumspolitischen Vorschläge durchzubringen, und die politischen Änderungen, die er umsetzen wird, werden nur begrenzte Auswirkungen haben. Anders als in den Prognosen des Haushaltsentwurfes der Regierung angegeben, liegt die Chance, dass sich das Wirtschaftswachstum in den USA von 2 auf 3 % erhöht, nahezu bei null.

Zugleich haben die Märkte die mit Trumps politischen Vorschlägen verbundenen Risiken unterschätzt. So könnte die Regierung noch immer protektionistische Maßnahmen verfolgen, die einen Handelskrieg auslösen würden, und sie hat bereits Einwanderungsbeschränkungen erlassen, die das Wachstum vermutlich bremsen werden, indem sie das Angebot an Arbeitskräften verringern.

Auch könnte Trump weiterhin jene Art von korporatistischem Mikromanagement betreiben, das die Investitionstätigkeit des privaten Sektors sowie Beschäftigungs-, Produktions- und Preisentscheidungen stört. Und seine haushaltspolitischen Vorschläge würden in einer Volkswirtschaft, in der ohnehin schon nahezu Vollbeschäftigung herrscht, für übertriebene Konjunkturimpulse sorgen. Dies würde die Fed zwingen, die Zinsen noch stärker anzuheben, was die langfristigen Zinsen erhöhen, den US-Dollar stärken und so den US-Aufschwung behindern würde.

Tatsächlich hat Trump bereits für eine derart profunde fiskalpolitische Unsicherheit gesorgt, dass die Fed bei ihren eigenen politischen Entscheidungen einen Fehler machen könnte. Erhöht sie die Zinsen nicht rasch genug, könnte die Inflation außer Kontrolle geraten. In diesem Fall müsste die Fed dann die Zinssätze sehr schnell anheben, um dieses Versäumnis auszugleichen – auch auf die Gefahr hin, dass sie dadurch eine Rezession auslöst. Ein verbundenes Risiko sind zu langsame Zinserhöhungen, die zu einer Vermögensblase und all den mit ihrer unweigerlichen Entleerung verbundenen Gefahren führen könnten: eingefrorenen Kreditmärkten, steil steigender Arbeitslosigkeit, einem deutlichen Konsumrückgang usw.

Die derzeitige Vorsitzende der Fed, Janet Yellen, wird kaum einen Fehler machen. Doch im Verlaufe des nächsten Jahres hat Trump die Möglichkeit, fünf (möglicherweise sogar sechs) neue Mitglieder für das Führungsgremium der Notenbank zu ernennen. Wenn er hier schlechte Entscheidungen trifft, wird sich das Risiko ernster strategischer Fehler deutlich erhöhen.

Die Märkte unterschätzen zudem die heutigen geopolitischen Risiken, von denen viele aus Trumps verwirrter und riskanter Außenpolitik herrühren. Tatsächlich könnte die Weltwirtschaft durch eine ganze Reihe von die USA einbeziehenden Szenarien aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Eine militärische Konfrontation zwischen den USA und Nordkorea scheint inzwischen durchaus möglich. Gleiches gilt für einen diplomatischen oder militärischen Konflikt zwischen den USA und dem Iran, der zu einer Erschütterung beim Ölangebot führen würde, oder einen Handelskrieg zwischen den USA und China, der dann zu einem größeren geopolitischen Konflikt eskaliert.

Aber Trump ist nicht das einzige globale Risiko. China ist auf eine neue Runde kreditgestützter Anlageinvestitionen verfallen, um seine Wachstumsrate zu stabilisieren. Dies bedeutet, es wird mittelfristig mit zusätzlichen toxischen Vermögenswerten, Schulden, Fremdkapitalisierung und Überkapazitäten zu kämpfen haben. Und weil Wachstum und wirtschaftliche Stabilität im weiteren Verlauf dieses Jahres beim Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas ganz oben auf der Tagesordnung stehen werden, wird die Diskussion über die Neuausrichtung des Wachstums und die Umsetzung von Strukturreformen an Bedeutung verlieren. Doch sollte China bis zum nächsten Jahr nicht Strukturreformen einleiten und seine Schuldenexplosion begrenzen, wird das Risiko einer harten Landung zurückkehren.

In Europa haben die jüngsten Wahlergebnisse in den Niederlanden und Frankreich (sowie günstige Erwartungen in Bezug auf die Bundestagswahl in Deutschland im September) das Risiko, dass dort Populisten an die Macht kommen könnten, verringert. Doch die EU und die Eurozone stecken noch immer in einem wirtschaftlichen Sumpf. Und die Befürchtungen der Märkte über ein Auseinanderbrechen der Eurozone werden zurückkehren, wenn bei den möglicherweise schon im Herbst stattfindenden Parlamentswahlen in Italien die eurofeindliche 5-Sterne-Bewegung an die Macht kommt.

Eine robustere, dauerhaftere weltweite Konjunkturerholung im kommenden Jahr wird primär davon abhängen, ob die Politik Fehler vermeidet, die diese behindern könnten. Zumindest wissen wir, wo diese Fehler am ehesten passieren könnten.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Autor: Nouriel Roubini ist CEO von Roubini Macro Associates und Professor für Ökonomie an der Stern School of Business der New York University. Aus dem Englischen von Jan Doolan, © Project Syndicate 1995 – 2017