So verrechnen sich unsere Politiker

Bei neuen Steuerforderungen wird gern mit beeindruckenden Einnahmenschätzungen argumentiert. In den Niederungen der Praxis kann es dann aber anders aussehen.

Die SPÖ-Befürworter einer neuen Erbschaftssteuer berufen sich weitgehend auf den Bericht der Steuerreform-Kommission 2014. Steuerpflichtig wären demnach Land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen, Betriebsvermögen, Finanzvermögen (Bargeld, Girokonten, Sparbücher, Anleihen, Aktien…) sowie sonstiges Vermögen wie Sammlungen, Antiquitäten, Fahrzeuge usw. Es soll für jede Person einen persönlichen Lebensfreibetrag von 1 Mio Euro geben. Der Eingangssteuersatz für 1 bis 5 Mio Euro soll bei 25 % liegen, Vermögen von 5 bis 10 Mio Euro wären mit 30 % zu besteuern, der höchste Steuersatz ab 10 Mio Euro läge bei 35 %. Dazu heißt es: „Das Aufkommen einer solchen Steuer kann auf 500 Mio Euro geschätzt werden.“

Dann folgt auch schon die Replik: „Aus Sicht der ÖVP-Mitglieder der Steuerreformkommission ist der SPÖ-Vorschlag zur Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer strikt abzulehnen.“ Unter anderem aus folgenden Gründen: Massive Benachteiligung von Familien; wenn keine liquiden Mittel vererbt werden, sei man gezwungen, Vermögen zu veräußern. Massive Benachteiligung von Unternehmensübergaben: Das Vermögen ist im Betrieb gebunden. Im Erbfall müsste betriebliche Substanz angegriffen werden.

Weiters: Seit der Einführung der Vermögenszuwachsbesteuerung sowohl bei Kapital- als auch Immobilienvermögen werde bei Vermögensübertragungen bereits der Vermögenszuwachs besteuert. Zusätzliche Besteuerung durch eine neue Erbschaftssteuer greife Substanz an. Gewarnt wir auch vor „überdurchschnittlich hohen Erhebungs- sowie Verwaltungskosten“: Denn die Steuer setze eine umfassende Erfassung und Bewertung aller Vermögensgegenstände des Erblassers voraus, also auch Gold,  Beteiligungen, Antiquitäten, Kunstgegenstände, Fahrzeuge etc. Dies sei administrativ sowohl aus Sicht der Steuerverwaltung als auch aus Sicht des Steuerpflichtigen sehr aufwändig und würde daher das Nettoaufkommen dieser Steuer deutlich schmälern.

Nicht nur deswegen kann Skepsis angebracht sein, ob das hereinkommt, was man sich wünscht. Und 500 Mio Euro jährlich ist ja nicht nichts. Die SP-Politiker nennen diese Schätzung zwar gerne, aber ohne Beispielrechnungen. Daher sei hier eine einfache Rechnung versucht: Ein Vermögen von 2 Mio Euro geht an einen Erben. Nachdem 1 Mio Euro davon steuerfrei wäre, würde beim 25 %igen Steuersatz die Steuerschuld des Erben 250.000 Euro ausmachen. Um auf 500 Mio Euro p.a. zu kommen, müssten also jedes Jahr 2.000 Österreicher sterben, die mindestens 2 Mio Euro Reinvermögen vererben. Wenn Vermögen an mehrere Erben fließen, die jeweils 1 Mio Euro Freibetrag in Anspruch nehmen, kann die Steuereinnahme selbst von 10 Mio Euro trotzdem Null sein, wenn es auf zehn Erben aufgeteilt ist. Und was ist, wenn Vermögenskategorien aus realpolitischer Räson oder mangels sinnvoller Bewertbarkeit von der Steuer ausgenommen werden? Auch dann kommt gleich mal weniger herein. Faktum ist: Es müssen jedes Jahr tausende Multimillionäre versterben, damit ein Steueraufkommen von 500 Mio Euro „nachhaltig“ Jahr für Jahr fließt. Der Bericht der Reformkommission spricht von unter „10.000 Erbschafts- und Schenkungssteuerverfahren pro Jahr“. Die Schwäche von statischen Einnahmenrechnungen ist, dass sie das Steuervermeidungsverhalten der Menschen nicht berücksichtigen. Wenn das im Falle einer Erbschaftssteuer absehbar auch passiert, ist zu befürchten, dass das Verrechnen der Politiker bald die „kleinen“ Erben zu bezahlen hätten. Etwa wenn der Freibetrag so schrumpft, dass die Steuer jedes mittlere Spar- oder „Häuslbesitzer“-Vermögen trifft.                   

Autor: Mag. Manfred Kainz  (redaktion@boersen-kurier.at)