Höhere Volatilität bietet auch Chancen
Die vergangenen Wochen waren an den Börsen von zunehmender Volatilität geprägt. Experten erwarten, dass es bis zum Jahresende in einer ähnlichen Tonart weitergehen wird.
Nach dem ruhigen Vorjahr haben sich die Börsen im bisherigen Jahresverlauf etwas turbulenter entwickelt. Dahinter steht nach Ansicht von Experten eine Reihe von Faktoren. Im Feber heizte etwa die Erwartung einer Zinswende sowie steigender Anleiherenditen die Volatilität an. Wenig hilfreich war – und ist – in diesem Zusammenhang auch der Handelskonflikt zwischen den USA und China. Aber auch Sorgen um die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft haben Anleger zuletzt beschäftigt.
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, ist jedenfalls der Ansicht, dass die globale Wirtschaft heuer weiterhin relativ stark wachsen werde. Allerdings dürfte
das Wachstumstempo – vor allem in der Eurozone und China – seinen Höhepunkt vorerst erreicht haben. „Die Verunsicherung über den weiteren Wachstumspfad dürfte zu mehr Volatilität beitragen. Aktienmärkte sind jedoch in der Lage, dies zu bewältigen – solange es nicht zu einer Rezession kommt“, so der Experte.
Die gute Nachricht: Eine Rezession hält Galler heuer – in Abwesenheit eines externen Schocks wohlgemerkt – weiterhin für unwahrscheinlich. Auch Wolfgang Habermayer, CEO der Merito Financial Solutions GmbH, geht nicht von einer Rezession aus, wie er im Gespräch mit dem Börsen-Kurier erklärt. Allerdings habe man sich Anfang April entschlossen, Aktien unterzugewichten und damit begonnen, Positionen sukzessive abzubauen. Ein „Gamechanger“ sei gewesen, dass China auf die Einführung von Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte durch die USA mit Gegenmaßnahmen auf US-Produkte reagiert habe.
„Wir sehen die große Gefahr, dass durch diesen „Gamechanger“ die Konjunkturdynamik beendet und der Zenit im Konjunkturzyklus bereits erreicht ist“, so Habermayer. Gleichzeitig glaube man, dass Aktien ihre besten Zeiten gesehen hätten und die Volatilität an den Börsen weiter steigen werde. Mit der höheren Volatilität und zu erwartenden schwächeren Unternehmensgewinnen würden die Aktienkurse tendenziell zurückgehen.
Trotz der wieder angestiegenen Volatilität sind Aktien in der taktischen Asset Allokation von J.P. Morgan gegenüber Anleihen weiterhin übergewichtet. Der Grund: der nach wie vor positive Gewinnausblick der Unternehmen. „Es gilt in Erinnerung zu behalten, dass Volatilität normal ist – vor allem in diesem Stadium des Wirtschaftszyklus – und für aktive Manager auch immer mit Chancen verbunden ist“, hält Galler fest. Auch Habermayer, der bekräftigt, dass man bei Merito im Aktienbereich ein großer Anhänger einer Indexorientierung sei, sieht Chancen im Aktienbereich. Interessant sei etwa der Finanzsektor. „Banken und Versicherungen hinken nach wie vor dem Gesamtindex hinterher“, so Habermayer. Dabei würden die Banken Rückstellungen für Non-Performing Loans auflösen. Versicherungen würden von der Digitalisierung bzw. den damit verbundenen starken Kosteneffekten profitieren. „Schweizer Industriewerte gefallen uns dagegen wegen der Entwicklung des Schweizer Franken (Bewegung von zehn Prozent auf Einjahressicht, Anm.) und den sich daraus ergebenden Exportchancen.“
Bei Pictet Asset Management hat man zuletzt ebenfalls die Allokation in Anleihen erhöht. „Im Aktienbereich bevorzugen wir die Eurozone gegenüber dem höher bewerteten US-Markt“, so Chefstratege Luca Paolini. Defensive Titel wären zwar noch untergewichtet, allerdings könnte man diese im Falle einer anhaltenden Schwäche der Weltwirtschaft zukaufen. Noch wären billige Zykliker wie Financials und Materials interessanter.
Autor: Mag. Patrick Baldia (redaktion@boersen-kurier.at)