Wahlen in den Aufsichtsrat werden spannender

(Mehr) Frauen in die Aufsichtsräte. Das war einer der letzten Beschlüsse, die das österreichische Parlament vor seiner Auflösung noch auf den Weg gebracht hat. Und so sieht’s die Praxis.

Es ist ein hehres Ziel: Mehr Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft. Dabei waren sich – im Gegensatz zu manch anderen Themen – die „alten“ Regierungsparteien SPÖ und ÖVP sogar einig.  Und hatten im Juni einen gemeinsamen Initiativantrag für eine Frauenquote in Aufsichtsräten im Nationalrat eingebracht. Eckpunkte des Beschlusses: Die Quote soll (mindestens) 30 % betragen, wobei diese Vorgabe am 1. Jänner kommenden Jahres in Kraft tritt. Die Voraussetzungen im Detail: Betroffen sind erstens alle börsenotierten heimischen Unternehmen – ohne Beschränkung bei ihrer Mitarbeiterzahl – und deren Tochterunternehmen. Zweitens gilt die Quotenvorgabe für alle anderen Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, wenn mindestens 20 % der Mitarbeiter weiblich sind.  Aber es gibt noch eine zweite Voraussetzung: Die Quote muss nur dann erfüllt werden, wenn der Aufsichtsrat aus mindestens sechs Kapitalvertretern besteht. Und damit es schön „gerecht“ ist,  müssen bei mindestens drei Belegschaftsvertretern im Aufsichtsrat diese ebenfalls die Frauenquote erfüllen. Sprich, die 30-%-Quote gilt getrennt jeweils für die Kapital- und Arbeitnehmervertreter. Der Inkrafttretenstermin 1. Jänner 2018 heißt: Die Einhaltung der Quotenregelung wird für Wahlen und Entsendungen in den Aufsichtsrat nach dem  31. 12. 2017 relevant. Wird dann die Quote nicht erfüllt, so ist die Wahl nichtig und das Mandat bleibt unbesetzt, also ein „leerer Sessel“ im AR.

Meinungen
Die Koalitionsparteien hatten sich in ihrem aufgefrischten Arbeitsprogramm vom Jänner diesen Jahres eine Quotenregelung nach Vorbild der deutschen Rechtslage vorgenommen. Bei unserem Nachbarn sind die Kriterien für die Frauenquote im AR allerdings kumulativ. Unternehmen müssen börsenotiert sein und mehr als 1.000 Mitarbeiter-Innen haben. Dementsprechend sind in Deutschland dem Vernehmen nach le-diglich rund 100 Unternehmen betroffen. So eine kumulative Unternehmensdefinition hat sich u.a. auch Georg Vetter gewünscht, sagte er im Gespräch mit dem Börsen-Kurier.

Der Abgeordnete zum Nationalrat (ÖVP) war als Mitglied des Justizausschusses im Parlament mit der Materie befasst und kennt auch die Praxis: Denn der Wirtschaftsanwalt ist selbst als Aufsichtsvorsitzender von börsenotierten AGs und als Aktionärsvertreter bei Hauptversammlungen tätig und war im Interessenverband der Anleger (IVA) engagiert. Da in Österreich keine Kumulierung vorgesehen ist, rechnet Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) mit rund 200 betroffenen Unternehmen. Jurist Vetter sieht die Frauenquote nur als einen Schritt in der Modernisierung des Wirtschaftsrechts. Als Nächstes zielt er auf das Aktiengesetz (das aus 1937 stammt), wo die Schadenersatzpflicht heute „totes Recht“ sei. Weiters fehle in Österreich ein modernes Konzernrecht.

Kritik
Der Finanzvorstand der voestalpine AG Robert Ottel betont in seiner Funktion als Präsident des Aktienforums puncto Frauenquote die Bemühungen der börsenotierten Unternehmen in den vergangenen Jahren, denn „Diversität in jeder Dimension ist wichtig für die Unternehmen. Und das ganz freiwillig. Den politischen Eingriff in Eigentumsrechte lehnen wir aber strikt ab“, so Ottel. Und er legt nach, dass eine solche Quote „politisch nur dann wirklich glaubwürdig erschiene, wenn diese auch im öffentlichen Sektor, zum Beispiel in den Kammern und gesetzgeberischen Körperschaften, eingehalten würde“. So erfülle die Bundesarbeiterkammer in keinem ihrer höchsten Gremien eine Frauenquote von 30 %, und auch die Landtage würden mit durchschnittlich 29 % noch hinten nach hinken. Beobachter sind außerdem gespannt, ob und wie rasch die (ebenfalls stark männlich dominierten) Arbeitnehmervertreter in den betroffenen Aufsichtsräten ihre Quotenpflicht erfüllen werden …

Autor: Mag. Manfred Kainz  (redaktion@boersen-kurier.at)