Die Kapitalzuwachssteuer – Kommentar von W. Rasinger
Die Anleger wurden seit Monaten weichgeklopft. Die Pro- und Kontra-Argumente können als bekannt vorausgesetzt werden. Besonders ergiebig wird diese Steuer in einem Land, in dem nach Schätzungen circa vier Prozent der Bevölkerung Aktien halten, nicht werden. Abgesehen von einigen tausend “Freaks” , die primär über das Internet ihre Aufträge erledigen, ist der Österreicher kein Trader, der häufig sein Wertpapierdepot umschichtet. Alle sind sich einig, dass diese Neuregelung nur dann für den Staat sinnvoll ist, wenn die Steuer von den Banken errechnet und abgeführt wird, so wie es beim Erfolgsmodell der 25-Prozent-Kapitalertragssteuer der Fall ist. Wie es scheint, wurde die ungerechtfertigte Bevorzugung der Stiftungen im Verhältnis zu einem privaten Anleger durch die bisherige Zwischensteuer von 12,5 % beseitigt. Das Aufkommen aus dieser neuen Bestimmung ist, wie der Steuerexperte Prof. Karl Bruckner feststellte, mit geschätzten 30 Millionen verkraftbar.
Der IVA fordert, dass die Kapitalzuwachsbesteuerung – nicht immer zutreffend auch Spekulationssteuer genannt – zeitlich befristet sein soll. Ein Aktionär, der mehr als drei bis fünf Jahre eine Aktie hält, ist kein Spekulant. Je länger die Frist, desto stärker das Argument, dass wegen der Inflation eine Substanzbesteuerung stattfindet. Es ist auch den Banken aus Kostengründen nicht zuzumuten, über einen gewissen Zeitraum hinaus die relevanten Daten gespeichert zu halten. Es gibt eine Fülle von Umständen, die geregelt werden müssen: die steuerlichen Konsequenzen aus einem Squeeze-Out, einer Verschmelzung, aus einem Verkauf von Bezugsrechten, aus einer Kapitalrückzahlung usw. – Liste nicht vollständig. Je länger die Frist, desto aufwändiger ist die Administration der diversen Sonderfälle.
Eines muss in diesem Zusammenhang mit Nachdruck festgehalten werden: die Schadenssumme, die die privaten Investoren durch Anlegerskandale wie Meinl, AvW, Petrikovics, A-Tec, AMIS, Libro u. a. hinnehmen mussten, ist ein zig-faches der möglichen Belastung aus den vorgeschlagenen Neuregelungen. Die Arbeit bzw. Ergebnisse bei der Aufarbeitung von Skandalen durch die Justiz und die Finanzmarktaufsicht als wichtiges Korrektiv gegen Missstände auf dem Kapitalmarkt entspricht bei weitem nicht den Erwartung der betroffenen Investoren. Besonders peinlich ist die misslungenen Einrichtung der Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen (AeW), die nicht den EU-Vorgaben entspricht und de facto wirkungslos ist. Die Folge ist, dass der Staat von gefinkelten Anwälten in die Pflicht genommen wird. Nicht fehlen darf in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass es seit zwei Jahren als einzigem EU-Land in Österreich noch immer keine „Bilanzpolizei“ (Enforcement-Stelle) gibt.
Die Neuregelung der Besteuerung des Kapitalzuwachs ist ein relativ geringeres Übel: eine bittere Pille, die vielleicht zu Magenkrämpfen führt, aber zu keinem Durchfall; insbesondere im Vergleich zur perversen „Hackler“-Regelung, die in den nächsten Jahren enorm viel kostet und pensionssüchtige Nicht-Hackler begünstigt, scheint sie verkraftbar. Allerdings gilt frei nach Zgonc: „Wenn Österreich das alles auf Dauer nur aushält.” Doch Raunzen allein führt noch keine Änderungen herbei.