Harter Brexit kostet 75.000 Arbeitsplätze

Das Szenario eines „harten Brexit“ könnte schwere Folgen für die britische Finanzindustrie haben. Eine aktuelle Studie stellt Umsatzeinbußen von rund 38 MrdGBP in Aussicht.

Im März 2019 soll es soweit sein: Wie die britische Premierministerin Theresa May in der vergangenen Woche bekanntgab, soll dann der Austritt Großbritanniens aus der EU erfolgen.

Details über die konkrete Ausgestaltung des Brexit hat sie bislang nicht genannt – lediglich, dass man im März 2017 mit den Verhandlungen beginnen wolle. Allerdings deutet unter anderem das erklärte Ziel Mays, die Einwanderung aus den EU-Staaten stark begrenzen zu wollen und dafür auch den Austritt aus der europäischen Zollunion in Kauf zu nehmen, darauf hin, dass ein
„harter Brexit“ bevorstehen könnte.

Schwere Konsequenzen mit Milliardenschaden
Für die britische Finanzindustrie könnte ein „harter Brexit“ bedeuten, dass sie ihre sogenannten „Passport-Rechte“ verliert, die es ihr erlauben, ihre Produkte und Dienstleistungen in der EU anzubieten, ohne vor Ort ansässig sein zu müssen. Eine am vergangenen Donnerstag vorgestellte Studie der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman zeichnet im Falle eines Szenarios mit begrenztem Zugang zum EU-Markt – in dem die Beziehung zur EU weitgehend auf WTO-Verpflichtungen basiert – ein düsteres Bild: Der Finanzbranche drohen dann auf längere Sicht Umsatzeinbußen von bis zu 38 Mrd GBP sowie der Verlust von bis zu 75.000 Arbeitsplätzen. Gleichzeitig wären jährlich Steuereinnahmen von 8 bis 10 MrdGBP sowie eine Bruttowertschöpfung von 18 bis 22 Mrd GBP gefährdet.

„Weicher Brexit“ wäre wirtschaftlich sinnvoller
Für den Fall, dass der Zugang zum EU-Binnenmarkt weitgehend erhalten bleibt, kann laut den Experten von Wyman mit weniger starken Auswirkungen gerechnet werden: Die Umsatzeinbußen würden sich hier auf ungefähr 2 MrdGBP belaufen. Auch würden „nur“ 3.000 bis 4.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Weiter müsste der Fiskus jährlich auf Steuereinnahmen in der Höhe von 0,5 MrdGBP verzichten. Die jährliche Bruttowertschöpfung würde wiederum um 1 MrdGBP zurückgehen.

Finanzindustrie ist Schlüsselindustrie in GB
Die Bedeutung der britischen Finanzindustrie ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen: Laut der Studie, die im Übrigen vom Branchenverband TheCityUK im Auftrag gegeben wurde, zählt sie nicht weniger als 1,1 Mio Beschäftigte und generiert jedes Jahr einen Umsatz von 190 bis 205 MrdGBP, eine Bruttowertschöpfung von 120 bis 125 Mrd GBP sowie Steuereinnahmen in der Höhe von 60 bis 67 MrdGBP. Damit nicht genug: Die britische Finanzindustrie zeichnet für einen jährlichen Außenhandelsüberschuss von rund 58 MrdGBP verantwortlich.

Ende der Passport-Rechte
Zsolt Darvas, Ökonom am Brüsseler Bruegel-Institut, glaubt jedenfalls nicht, dass die britische Finanzindustrie ihre Passport-Rechte behalten wird. „Auch ein Deal wie jener zwischen der Schweiz und der EU, der der Eidgenossenschaft nahezu vollständigen Zugang zum EU-Binnenmarkt ermöglicht, ist im Falle Großbritanniens unwahrscheinlich“, so der Experte.

Auch eine kontinentale Partnerschaft, wie sie etwa vom Bruegel-Institut vorgeschlagen wird, sei nicht realistisch. Diese würde eine Partizipation an Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalmobilität sowie vorübergehende Arbeitsmobilität vorsehen.

Dazu komme ein neues System der Entscheidungsfindung und -umsetzung zwischen beiden Seiten.

Autor: Mag. Patrick Baldia (redaktion@boersen-kurier.at)