RHIs Pläne spalten Anlegerszene

Zur überraschend bekannt gegebenen Vereinbarung eines Zusammenschlusses der RHI AG mit der brasilianischen Magnesita gehen die Meinungen auseinander: Von „happy“ bis „unverständlich aus Sicht des Streubesitzes“.

Der heimische Feuerfestkonzern RHI und die kontrollierenden Aktionäre der Magnesita Refratários S.A. haben eine Vereinbarung zum Zusammenschluss beider Unternehmen getroffen, um einen führenden Anbieter von Feuerfestprodukten zu bilden. Das kombinierte Unternehmen soll den Namen „RHI Magnesita“ tragen, seinen Hauptsitz in den Niederlanden haben sowie in London, im Premiumsegment der „Official List“ am „Main Market“ der London Stock Exchange (LSE), börsennotiert sein. Der Vorstand der RHI will einen Kaufvertrag über den Erwerb des kontrollierenden Anteils von mindestens 46 % und maximal 50 % plus eine Aktie am Grundkapital von Magnesita unterzeichnen. Die Kompensation für den 46-%-Anteil soll aus einer Barkomponente von 118 MioE sowie 4,6 Mio neuen Aktien, begeben von der neuen RHI Magnesita, bestehen. Danach will RHI ein öffentliches Pflichtangebot an alle anderen Magnesita-Aktionäre legen. Die Börsenotierung von RHI an der Wiener Börse soll mit Abschluss der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung enden. Die RHI beruhigt: Die Verlegung des Sitzes aus Österreich und die Notierung in London benötigen die Zustimmung der RHI-Hauptversammlung, die Transaktion brauche außerdem die Zustimmung der zuständigen Wettbewerbsbehörden. Und: Die geschäftlichen Aktivitäten der RHI Magnesita sollen aus Österreich gesteuert werden.

Wunschtraum
Der Börsen-Kurier sprach mit Hellmut Longin, Gründer und ehemaliger CEO der Radex-
Heraklith Industriebeteiligungs AG. Longin hatte Radex-Heraklith 1987 nach dem ersten großen Management Buyout in der österreichischen Geschichte an die Wiener Börse gebracht. „Ein zwanzigjähriger Wunschtraum von mir geht in Erfüllung“, begrüßt Longin die nunmehrige Vereinbarung, Magnesita in den RHI-Bereich zu bekommen. Er ist „happy“, denn mit dem Zusammenschluss gewinne RHI via Magnesita Marktanteile in den Märkten Süd- und Nordamerika, steigere die Marktbekanntheit und bekomme Zugang zu dem hervorragenden Rohstoffvorkommen, die Magnesita in Form von Magnesit besitze: „Was will man mehr?“ Der mehrheitliche Erwerb der Magnesita sei eine wichtige „Bereicherung für die RHI“. Weniger euphorisch ist Longin, was den geplanten Börseplatz London betrifft. Mit dem Brexit stelle sich die Frage, welche Bedeutung der Finanzplatz London künftig noch haben werde. Keine könne heute sagen, wie es mit der LSE durch den Brexit weitergehe und ob sie daher der richtige Platz für RHI Magnesita sei. Wahrscheinlich sei man angesichts der neuen Größenordung der RHI Magnesita der Meinung, damit an einem größeren Börseplatz als Wien etabliert sein zu müssen.          

Jedenfalls „täte es“ Longin „leid“, wenn die RHI-Aktien komplett von der Wiener Börse verschwinden würden. Denn „das Herz der RHI ist in Österreich, RHI ist ein österreichischer Weltkonzern“. So wäre es „kein schöner Zug“, wenn der Titel gänzlich von Wien weggehen würde, tritt Longin für zumindest eine Zweitnotierung am heimischen Parkett ein. Dass es zur Abwanderung von Forschung & Entwicklung der RHI aus Österreich kommen werde, befürchtet er nicht. Es wäre „schlicht falsch“; den Forschungsstandort zu verlegen; gebe es doch bewährte intensive Zusammenarbeit mit der Montanuniversität Leoben in der Feuerfestforschung. Die Montanuni sei in der Weltrangliste der Technischen Hochschulen auf Platz 7, „auf diesen hervorragenden Forschungsstandort zu verzichten, kann ich mir nicht vorstellen und wäre heller Wahnsinn“. Longins Fazit: „Von der Strategie her ist die Akquisition von Magnesita ein 100 %iger Gewinn für RHI“ und er könne dem Management nur „herzlich gratulieren“.

Bedenkliche Risiken
„Massiv kritisch“ sieht hingegen IVA-Präsident Wilhelm Rasinger den Deal im Gespräch mit dem Börsen-Kurier: Sich mit Magnesita zu beschäftigen, mache schon Sinn, aber „nicht unter den bekannt gegebenen Bedingungen und der Begleitmusik“. Der geplante Deal berge zahlreiche Risken: Das Magnesita-Ergebnis gehe seit Jahren hinunter, das dargestellte Synergiepotential sei keineswegs überzeugend, die hohe Bewertung der Magnesita nicht nachvollziehbar. „Nachteilig und unverständlich“ aus Sicht des Streubesitzes sieht Rasinger den geplanten Rückzug von der Wiener Börse, die Börsenotiz in London sowie die Verlegung des Sitzes in die Niederlande. Die schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit (Stichworte Head, bwin, MEL/Atrium)
würden gravierende Nachteile beim Anlegerschutz befürchten lassen. Im Gegensatz zu Longin befürchtet der IVA-Präsident sehr wohl, dass es zur Abwanderung von hochqualifizierten Konzernfunktionen wie Investor Relations und Forschung & Entwicklung aus Österreich kommen werde; zwar „nicht von heute auf morgen, aber sukzessive“. Das wäre sehr nachteilig für den gesamten Wirtschaftsstandort. Auch für den Börseplatz London sieht er „keine vernünftige Begründung“. Die jetzigen dortigen Privilegien und Begünstigungen werden mit dem Brexit nicht zu halten sein. Rasingers Resumee: Der bekannt gegebene Deal sei nicht durchdacht, schlecht verhandelt und nicht im Interesse der vielen RHI-Aktionäre, sondern nur im Interesse des Kernaktionärs und der kontrollierenden Magnesita-Eigner. Für den RHI-Streubesitz habe er „bisher keinen Vorteil gesehen“.

Kosten?
Mit der Notierungsverlegung nach London müsse man, so Kenner, damit rechnen, dass die Gebühren der depotführenden Banken für den Handel der Aktie für die österreichischen Privatanleger etwas teurer werden. Die Handelspesen würden höher, denn es kämen die Auslandsspesen dazu. Auch was die Besteuerung betrifft, wird’s nicht besser: Jetzt wird ja die KESt automatisch am Verrechnungskonto der Aktiendepots abgezogen. Als „Auslandsaktie“ gelte die Quellensteuer und damit die Doppelbesteuerungsabkommen mit Niederlande und UK.

Was sagt die Wiener Börse?
Der Börsen-Kurier fragte auch bei der Wiener Börse nach, wie sie zum RHI-Magnesita-Plan steht. Hier die Ersteinschätzung aus „der Wallnerstrasse“: „Wir sind aktuell in Gesprächen mit dem Management der RHI, um den Link nach Österreich aufrecht zu erhalten.“ Ein (London-)Listing außerhalb des Euroraums und künftig auch der EU könnte den Zugang zum europäischen und österreichischen Kapitalmarkt erschweren und die Sichtbarkeit des Unternehmens möglicherweise einschränken. An der Londoner LSE bestehe „die Gefahr, Teil eines weniger beachteten, riesigen Mittelfeldes zu werden“. Bislang erfahre das Unternehmen im Heimatland Österreich große Aufmerksamkeit und ist Mitglied des ATX, „auf den die ganze Welt schaut und in ihn investiert“.

Die Aufgabe von Auslandsorders in einer Fremdwährung und die Stamp Duty würden den Handel heimischer Privatanleger in RHI-Aktien verteuern, wird zu Bedenken gegeben. Aber die Wiener Börse zollt auch Lob: Die Notierung der RHI an der Wiener Börse sei ein Meilenstein in der Erfolgsgeschichte des Industrieunternehmens. Das Unternehmen konnte auch mit Hilfe einer stabilen heimischen Investorenbasis Eigenkapital aufnehmen und damit Innovation und Expansion finanzieren. „Wir freuen uns über die Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte, die jetzt in eine nächste Phase zu gehen scheint.“

Autor: Mag. Manfred Kainz (redaktion@boersen-kurier.at)