Aktionärsaktivismus: Fluch oder Segen für den Markt?
Sogenannte „Aktivistische Investoren“ – sprich offensiv handelnde Hedgefonds – waren lange ein US-amerikanisches Phänomen. In Deutschland machen nun europäische Akteure von sich Reden.
Sie treten auf den Plan, wenn ein Unternehmen gegenüber seinen Mitbewerbern eine schwache Performance zeigt oder wenn es eine Diskrepanz in der Bewertung gibt. Auch ein ineffizientes Cash-Management oder eine geringe Glaubwürdigkeit des Managements können sie motivieren. Die Rede ist von einer kleinen Gruppe aktivistischer Hedgefonds. Dies sind Fonds, die mit ihren Einlagen offensiv in Unternehmen investieren, um so für ihre Anleger überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen. Sie beeinflussen dabei oftmals das Management. Auch feindliche Kampagnen gegen das Unternehmen wie das Wetten auf fallende Kurse sind nicht unüblich. Der Vorwurf, sie stiegen in Firmen ein, um diese zu filetieren und dann weiter zu ziehen, brachte ihnen den Namen „Heuschrecke“ ein. Laut Peter Kirkow, Direktor beim Unternehmens-berater KPMG in Österreich, sind rund 70 Hedgefonds aktivistisch unterwegs. Oftmals sehe man hier nur die Spitze des Eisbergs, so Kirkow gegenüber dem Börsen-Kurier.
Aktivistische Investoren, also aggressive Hedgefonds, waren lange ein US-amerikanisches Phänomen. Kirkow konstatiert nun, dass Europa und Asien vermehrt ins Visier solcher Investoren geraten. Allein zwischen 2011 und 2015 gab es laut Kirkow in Deutschland 23 Angriffe von Hedgefondsseite. Es sind neben den etablierten US-amerikanischen Aktivisten auch immer häufiger europäische Fonds wie Cevian oder TCI. „Sie treten weitaus vorsichtiger auf und arbeiten stärker mit dem Management zusammen“, charakterisiert Kirkow diese Fonds. Oft sprächen sich die Aktivisten im Vorfeld einer Aktion mit den wichtigsten institutionellen Investoren des betroffenen Unternehmens ab und beeinflussen so die Abstimmungen auf Hauptversammlungen. Das zwinge das Management, sich mit den Aktionärsaktivisten an einen Tisch zu setzen, erläutert Kirkow uns gegenüber.
Jüngstes Beispiel in Deutschland: Seitdem der Autobauer Volkswagen im Abgasskandal unter Druck gerät, stellt der Hedgefonds TCI harsche Forderungen: VW-Chef Matthias Müller solle 30.000 Stellen streichen und sich von den Töchtern Bentley, Bugatti und MAN trennen. Ein Dorn im Auge ist TCI-Chef Chris Hohn auch die mächtige Stellung der Familien Porsche und Piech sowie die Rolle des Landes Niedersachsen, das eine Sperrminorität besitzt. Weiterer Kritikpunkt des Briten, der sich als Spender und Philanthrop einen Namen gemacht hat, sind die hohen Managementvergütungen. Hier hat Hohn schon einen Erfolg verbucht: Das VW-Management kündigte an, dass das Boni-System im kommenden Jahr angepasst werde – ein Erfolg für die gesamte Investorenschaft?
Kirkow: „Wir können aktivistische Hedgefonds nicht in ,gut’ oder ,böse’ einteilen. Deren aktivistischer Ansatz hat nachweislich eine höhere Performance, verglichen mit anderen aktiv und auch passiv geführten Fonds.“ Und Kirkow weiter: „Wir mögen polemisch von ,Schreckgespenst’ etc. sprechen, doch haben diese Fonds dem US-amerikanischen aber auch zunehmend dem europäischen Markt einen Dienst erwiesen, nicht zuletzt durch systematische Aufdeckung fehlender Transparenz und schwacher Governance-Strukturen.“ Kirkow wählt das Wort „nötiges Wachrütteln“.
Andere Player wie Muddy Waters geben sich jedoch weniger versöhnlich. Der Hedgefonds ist dafür bekannt, mit Leerverkäufen aggressiv gegen Unternehmen zu spekulieren und „Schlammschlachten“ zu führen. „Der Fonds hat im April bereits angekündigt, dass er nach mindestens fünf weiteren Angriffszielen in Deutschland sucht. Darunter könnten sowohl große als auch mittelständische Unternehmen sein“, so Kirkow.
Autorin: Christiane Süßel, Frankfurt (redaktion@boersen-kurier.at)