Experten erwarten keine Jahresendrallye, aber: „Die Grundtendenz passt an der Wiener Börse“
Nach einem schwierigen Jahresbeginn hat sich der ATX in den vergangenen Wochen erholt. Bis zum Jahresende erwarten Experten eine stabile Entwicklung des heimischen Leitindex.
Gerade noch die Kurve gekratzt: Nachdem der ATX über weite Strecken des Jahres dem Punktestand zu Jahresbeginn hinterhergehinkt ist, hat der ab Juli auszumachende Aufwärtstrend dem heimischen Leitindex ein vorläufiges Plus von 4,61 % beschert. Hinter der Markterholung steht nach Ansicht von Experten eine gute Berichtssaison, ebenso wie die vor rund zwei Monaten erfolgte Verschiebung der Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed.
„Mit dem leichten Plus kann man durchaus zufrieden sein“, sagt Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der 3 Banken-Generali Investmentgesellschaft, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Schließlich dürfe man nicht vergessen, dass wir uns nach wie vor in einem Nullzinsumfeld befinden. Auch gegenüber den breiten europäischen Indizes, die sich im Minus befinden, habe sich der Wiener Markt gut gehalten. Nachsatz Wögerbauer: „Man darf nicht unzufrieden sein, die Grundtendenz passt.“
„Insgesamt kann man sagen, dass sich der österreichische Aktienmarkt wie auch in den vergangenen vier, fünf Jahren recht stabil entwickelt hat. Er bewegt sich zwar mit globalen Metakrisen, wie unter anderem Eurokrise, abkühlendem Wirtschaftswachstum in China oder Brexit – nach ein paar Monaten beruhigt sich die Lage aber wieder“, so Bernd Maurer, Deputy Head Company Research bei der RCB.
„Wir erwarten nicht, dass der ATX vom jetzigen Niveau aus stärker zulegen wird“, erteilt Maurer der Hoffnung vieler Anleger auf eine Jahresendrallye eine Abfuhr. Vielmehr könnte es zu Ausschlägen in beide Richtungen kommen. Für temporäre Unsicherheit könne etwa das Ergebnis der US-Wahlen sorgen. Kurssteigerungen würden wiederum Aufwärtsrevisionen der Unternehmensergebnisse bedingen. „Insgesamt erwarten wir aber nicht große Trends in beide Richtungen“, so Maurer.
„In den kommenden Wochen erwarte ich keine deutlichen Kurssteigerungen, aber eine positive Grundstimmung“, so Wögerbauer. Er glaube nämlich nicht, dass eine mögliche Zinsanhebung der Fed im Dezember die Märkte auf dem falschen Fuß erwischen, sondern eher nur leichte Kursverluste zur Folge haben würde. Falls wiederum Donald Trump US-Präsident werden sollte, würde das die globalen Märkte durchschütteln, allerdings sollte der Wiener Markt in diesem Fall nicht stärker verlieren als andere.
Für Wögerbauer profitiert die Wiener Börse derzeit davon, dass sie nicht gehypt wird, ebenso wie von der wirtschaftlichen Entspannung in der CEE-Region. „Dass die Erste Group ihre Altlasten beseitigt hat und sich die RBI gefangen hat und die Fusion mit der Raiffeisen Zentralbank angeht, ist wichtig – die beiden Banken sind für das Wiener Sentiment immer wichtig.“
Kaum Enttäuschungen
„So richtig enttäuscht hat heuer kein Unternehmen am Wiener Markt – außer Semperit, was auf den unbefriedigenden Geschäftsverlauf und massive Probleme bei einem Joint-Venture in Thailand zurückzuführen ist“, so der Experte weiter. Unternehmen wie Lenzing oder Palfinger
würden wiederum von einer „ausgezeichneten Managementleistung“ profitieren.
Was die Bewertungen betrifft, spricht Maurer im Übrigen von „einem angemessenen Niveau“. „Der Bewertungs-Discount gegenüber dem breiten europäischen Markt beträgt rund 10 % und ist damit gegenüber dem Durchschnitt der Vorjahre marginal geringer geworden“, so der Analyst. Seiner Einschätzung nach könnte dies, ebenso wie eine weitere Outperformance globaler Small- und Mid-Caps, den Wiener Markt im kommenden Jahr sicher unterstützen.
Autor im Börsen-Kurier: Mag. Patrick Baldia (redaktion@boersen-kurier.at)