Niedergeprügelte Aktien der Wiener Börse

Der ATX-Prime liegt seit Jahresbeginn erst 3,5 % im Plus und enthält derzeit 14 Aktien, die in den vergangenen sechs oder zwölf Monaten zweistellig im Minus sind. Der Börsen-Kurier selektiert daraus potenzielle Kandidaten für eine Aufholjagd.

Zahlreiche Unternehmen der Wiener Börse sind nicht immun gegen konjunkturzyklische Schwankungen. Darüber hinaus belasten Zusatzfaktoren wie Brexit, Türkei-Putsch, Nullzinsphase (betrifft Banken und Versicherungen) und Rohstoffbaisse. Wahllos niedergeprügelte Aktien zu kaufen ist dabei der falsche Ansatz. Eine erfolgreiche Selektion setzt voraus, folgende Konstellationen zu erkennen, aus denen sich echte Sonderchancen ergeben:

1.) Einmalige Ausrutscher infolge unglücklicher Umstände bei anhaltender Wachstumsdynamik: Klassiker dafür ist das Gastronomie- und Catering-Unternehmen DO & CO, deren Aktie im Zuge von Terroranschlägen und Putschversuch in der Türkei unter Druck geriet: Aufgrund eines guten Einvernehmens mit der türkischen Regierung sowie einer verstärkten Expansion in den Retail-Bereich kann aber mit anhaltender Wachstumsdynamik gerechnet werden. Auf Basis eines Kurses von 72,26 € liegt das mittlerweile vorsichtig geschätzte Forward KGV 2018 bei 21,4 und sollte die Lage im wichtigen Türkei-Markt besser als erwartet sein, dann wäre die Aktie im historischen Vergleich bereits entsprechend unterbewertet.

Ein weiteres Unternehmen dieser Kategorie ist der Luftfahrt-Zulieferer FACC, dessen Aktie auf 12-Monatssicht noch gut ein Fünftel im Minus ist, was auf 50-Mio€-Schaden durch den „Fake President-Betrug“ zurückzuführen ist. Doch ein Umsatzanstieg von 22,1 % auf 329,8 Mio€ im 1. Halbjahr 2016/17 stimmt versöhnlich. Ermöglicht hat dies vor allem die positive Entwicklung der Programme A350, A320, der Bombardier C Series und der Embraer E2 Jets. Einmalbelastungen in Höhe von 1,4 Mio€ im Zusammenhang mit dem Betrugsfall und Aufwendungen infolge des Hochfahrens der Produktionslinien drückten aber noch auf das EBIT. Immerhin mussten 354 neue Mitarbeiter eingestellt werden. Positiv stimmen jedoch die vollen Auftragsbücher und der langfristig steigende Bedarf bei Flugzeugfamilien wie Boeing 787 oder Airbus A320. Deshalb peilt das Unternehmen bis zum Geschäftsjahr 2020/21 ein Umsatzziel von 1 Mrd€ an verglichen mit 588 Mio€ im Jahr 2015/16. Bei gutem Kostenmanagement ist bis 2018/19 durchaus ein Gewinn/Aktie von 0,76 € möglich, was auf Basis eines Kurses von 5,80 € einem Forward-KGV 18/19 von 7,6 und somit einem langfristigen Kurs-Verdopplungspotenzial entspricht.

2.) Erkennbare Verbesserung und Licht am Ende des Tunnels: Dass ein Unternehmen angesichts ungünstiger Rahmenbedingungen mal schlechte Zeiten durchläuft, ist völlig normal. Wichtig ist jedoch, dass das Management richtig reagiert und in diesen Phasen die Weichen für den nächsten Gewinnwachstumsschub stellt.

Ein Licht am Ende des Tunnels leuchtet unter diesen Aspekten beim Lichtkonzern Zumtobel auf: Restrukturierungsmaßnahmen im globalen Produktionsnetzwerk greifen, und positiv wirken auch die Neuaufstellung der globalen Einkaufsaktivitäten und der Abbau von Back-Office-Strukturen.

Im 1. Quartal 2016/17 (Mai bis Juli 2016) stieg das um Sondereffekte bereinigte Gruppen- EBIT im Vorjahresvergleich um 48,6 % auf 20,1 Mio€ und die Umsatzrendite verbesserte sich von 3,9 auf 6,2 %. Das brachte neuen Schwung: Die Zumtobel-Aktie stieg in den vergangenen drei Monaten um 15 %, liegt aber seit Jahresbeginn noch 31 % im Minus.

Seit Jahresanfang gut 27 % minus erlitt die Vienna Insurance Group, die trotz belastender Bewertungsänderungen gemeinnütziger Wohnbaugesellschaften für 2016 mindestens die Verdopplung des Gewinnes vor Steuern auf bis zu 400 Mio€ anstrebt und serviceseitig die Digitalisierung forciert. Highlight: Forward KGV 17 laut Reuters-Konsens von 8,5.

Zuletzt binnen eines Monats um fast 12 % (seit Jahresanfang in etwa 30 % Minus) eingebrochen ist die Aktie des Leiterplattenherstellers AT&S. Am 18. Oktober veröffentlichte das Unternehmen eine Gewinnwarnung. Die EBITDA-Marge für 2016/17 wurde von 18 bis 20 % auf 15 bis 16 % nach unten revidiert. Den Auslöser beschrieb Erste-Group- Analyst, Daniel Lion, in der Publikation Equity Weekly vom 21. Oktober als „die Anforderung vor allem eines Hauptkunden aus dem Mobile-Devices -Segment (Smartphones, Tablets), die nächste Generation von Smartphones einem weiteren Miniaturisierungsschritt zu unterziehen“. Dafür müssen nun bestehende Produktionskapazitäten aufgerüstet werden. Sie sind erst ab Juli 2017 wieder frei. Das belastet zwischenzeitlich.

Indizien für Neukundengewinnung im Smartphone-Bereich und ein KGV 2015/16 von 7 sprechen hingegen für langfristige Einstiegschancen.

Autor: Michael Kordovsky(redaktion@boersen-kurier.at)