Positive Signale für Kursentwicklung

Der erfreuliche Grundtenor: Nach der beeindruckenden Jahresendrallye spricht auch im kommenden Jahr einiges dafür, dass der Wiener Blue-Chip-Index ATX so manchen internationalen Markt outperformen könnte.

Politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine“, lässt Thomas Neuhold, Head of Austrian Equity Research des europäischen Finanzdienstleisters Kepler Cheuvreux, das vergangene Jahr Revue passieren: Weder Brexit, noch die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA oder Matteo Renzis „Arrivederci“ von der italienischen Regierungsbühne haben auf den internationalen Börsen Schockwellen ausgelöst. Es fand vielmehr eine massive Umschichtung in risikoreichere Werte statt, wie Christian Nemeth, CIO der Zürcher Kantonalbank Österreich, ergänzt: „Im Fokus stehen nun zyklische Sektoren und Finanzwerte.“

Überraschend ist jedenfalls, wie gut sich die Wiener Börse heuer im europäischen Vergleich geschlagen hat. Denn in Gesamteuropa hätten kleiner- bis mittelkapitalisierte Unternehmen, wie sie hierzulande das Börsenbild prägen, insgesamt nicht besser abgeschnitten als die großen Blue Chips, betont Nemeth.

Die Zahlen sprechen definitiv für sich: Während der ATX, das Spiegelbild der Kursentwicklung der 20 am meisten gehandelten Aktien mit dem höchsten kapitalisierten Streubesitz, bis 20. 12. 2016 um satte 9,7 % auf 2.630,32 Punkte zulegte – inklusive Dividendenausschüttungen sogar beachtliche 13 % -, schaffte der deutsche DAX „nur“ 3,5 % (6,8 %). Der Euro Stoxx 50 dümpelte gar bei 0,2 % (3,3 %). Auch der MSCI World hatte das Nachsehen mit 5,8 % (7,9 %), während der S&P 500 mit 11,1 % respektive 13,1 % dem ATX Paroli bieten konnte.

Günstige Rahmenbedingungen
„Dieses positive Kursmomentum sollte auch 2017 anhalten“, sagt Susanne Höllinger, Vorstandsvorsitzende der Kathrein Privatbank. Dafür sorge allein schon die Zusammensetzung des ATX mit seinem hohen Anteil an Energie-, Industrie- und Finanzwerten – jenen zyklischen Unternehmen, die vom anhaltenden globalen Wirtschaftsaufschwung profitieren sollten.

Dabei werden die Börsen von folgenden fünf Parametern geprägt sein, wie Stefan Maxian, Chefanalyst der Raiffeisen Centrobank, zusammenfasst: Erstens von einer steileren Zinskurve, sprich einer endlich wieder realistischen, größeren Zinsdifferenz zwischen kurz- und langlaufenden Anleihen. Das sei gut für Banken und Versicherungen sowie regulierte Versorger.

Zweitens von einer weiteren Aufwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro, was Exporte in die USA und entsprechend aufgestellte Betriebe begünstige.

Drittens von einem höheren Ölpreis; das wirke sich auf Unternehmen, die in Exploration und Förderung tätig sind, positiv aus.

Viertens von einer leichten Verbesserung des europäischen Makroumfeldes, speziell im Bereich Industrie und zyklischer Konsum.

Und fünftens von einem Lohnkostenanstieg in einigen osteuropäischen Ländern.

Hier wirkt die noch weitgehend ignorierte Dynamik der CEE-Länder eigentlich wie ein Turbo auf die Kursentwicklung der an der Wiener Börse notierten Unternehmen, schließlich haben so manche den „First-Mover-Advantage“ nach dem Fall der Berliner Mauer Ende 1989 geschickt zu nutzen gewusst. Deren Affinität zu den ehemaligen Kronländern wird von den institutionellen Investoren zwar je nach Konjunkturlage und Stimmung als Fluch oder Segen gesehen, aber gerade diese Anlegergruppe, die knapp zwei Drittel der heimischen Börsenumsätze bestimmt und zu drei Viertel international verankert ist, wird als stabilisierender Faktor sehr geschätzt: Laut einer Erhebung vom Juni 2016 schichten 92 % ihr Portfolio nur selten (58,5 %) bis moderat (33,5 %) um.

Osteuropa wird jedenfalls langsam wieder positiv wahrgenommen, konstatiert  Wolfgang Matejka, Chief Investment Officer der Wiener Privatbank SE. Gleichzeitig werde „das globale Wachstum mit starkem Momentum in den USA und Europa sowie einer chinesischen Volkswirtschaft im Erholungsmodus wieder glaubhaft, auch weil Inflation mittlerweile passiert.“ Das ließe sich an den zuletzt stark angezogenen Produzentenpreisen bequem ablesen.

Solide Basis
Christoph Schultes
, Senior Analyst und Wiener-Börse-Spezialist der Erste Group, ist ebenfalls davon überzeugt, dass „der eher zyklische ATX-Index durchaus Chancen für jene bietet, die an das Reflationsszenario glauben, zumal die Bewertung mit einem erwarteten Kurs-/Gewinnverhältnis von 13,9 für 2017 und 12,1 für 2018 noch ziemlich günstig ist.“ Dem CEE-Bonus der heimischen Unternehmen komme dabei besonderes Augenmerk zu, schließlich würde rund ein Drittel der ATX-Umsätze im Osten erwirtschaftet. Dort, wo für 2017 und 2018 mit 3 % respektive 3,2 % ein wesentlich dynamischeres Wachstum als in der Eurozone mit jeweils 1,7 % zu erwarten sei (die Schätzung umfasst Kroatien, Slowenien, Ungarn, Polen, Rumänien, Serbien, Tschechien und die Slowakei) – und das relativ unabhängig von den großen Schwellenländern etwa Lateinamerikas oder China. Zudem profitiere die Region von gesunden Leistungsbilanzen, ausreichenden Fremdwährungsreserven und geringen Exportquoten nach Großbritannien.

Auch Christoph Olbrich, Leiter des Aktienfondsmanagements der Bank Gutmann, geht zuversichtlich ins neue Jahr: „Wir rechnen mit einem weiteren Anziehen der Gewinnerwartungen. Entscheidend ist, dass die Gewinne nicht wie so oft in den letzten Jahren aus effizienzsteigernden Maßnahmen kommen, sondern aus dem Umsatzwachstum.“ Zudem sollte die langsame Normalisierung der Zinslandschaft und der Inflationserwartungen den Unternehmern wieder genügend Vertrauen für Neuinvestitionen geben.

Ein Indexplus von sechs, 7 % erwartet Alois Wögerbauer, Geschäftsführer 3-Banken-Generali Investment-GmbH, daher für 2017 – was umso realistischer sei, als „dies der Gewinnentwicklung der Unternehmen entsprechen würde“.

„Wie in fast jedem Jahr ist mit einem guten Stock-Picking in Wien gutes Geld zu verdienen“, resümiert Neuhold von Kepler Cheuvreux, der mit dem Top-Performer 2016 Lenzing auch heuer durchstarten will: „Die Aktie hat dank externer Faktoren wie steigende Viskosepreise und starkem US-Dollar sowie interner Faktoren wie dem Fokus auf Produkte mit höherer Marge und straffe Kostenkontrolle noch deutliches Gewinnpotential.“

An Aktieninvestments führt in Summe auch 2017 kein Weg vorbei, zu unattraktiv sind hierzulande die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen mit nicht einmal 0,5 %. Zu verlockend andererseits die durchschnittliche Dividendenrendite von 3,3 % für 2017, gar 3,8 % für 2018 der Wiener Börse. Ob die politischen Börsen allerdings auch heuer „kurze Beine“ haben werden, wird sich erst weisen – stehen mit den Wahlen etwa in Italien, Frankreich, Deutschland oder Holland doch richtungsweisende Weichenstellungen bevor.

Autorin: Mag. Caroline MIllonig (redaktion@boersen-kurier.at)