Der katastrophale Irrweg von Ex-CEO Fahnemann
Der börsennotierte Semperit-Konzern erlebt derzeit ein Desaster. Die lukrative thailändische Handschuhproduktion ging heuer verloren. 2016 wurde erstmals seit 20 Jahren ein Verlust eingefahren. CEO Fahnemann ist Geschichte.
Im Vorwort zum Semperit-Geschäftsbericht über das Jahr 2016 klang der nunmehrige Ex-CEO von Semperit, Thomas Fahnemann, als gäbe es etwas zu feiern. Die Schlagworte unter anderem: „Wichtige strategische Weichenstellungen“ … „Erreichung der strategischen Ziele“ … „Semperit auch in schwierigem Marktumfeld gut positioniert“ … „auf dem richtigen Weg“ etc.
Eine glatte Irreführung. Denn das Gegenteil ist der Fall. Statt der anstrebten 100 % am lukrativen 50:50-Joint-Venture Siam Sempermed Corporation (SSC) in Thailand, dem wahrscheinlich weltgrößten Hersteller von medizinischen Latex-Handschuhen, musste Semperit diese Beteiligung an den ehemaligen Partner Sri Trang Agro-Industry abtreten. Der den Kaufpreis von 170 Mio Euro sowie rund 48 Mio Euro an Dividenden bereits bezahlt hat.
Der Abgang des größten Umsatz- und Gewinnbringers in der Handschuh-Division, die zuletzt 41 % zum Konzernumsatz beisteuerte sowie der erste Jahresverlust im vergangenen Jahr seit mehr als 20 Jahren waren der Grund, warum Fahnemann am 15. 3. 2017 „freiwillig“ seinen sofortigen Rücktritt erklären musste. Von heute auf morgen. So wie 2011 bei RHI, als er Hals über Kopf den CEO-Sessel räumen und binnen weniger Stunden „freiwillig“ das Haus verlassen musste. Damals hatte er strikte Vorgaben des Aufsichtsrates hinterrücks umgangen.
Waterloo für Semperit
Semperit und Sri Trang betrieben mit SSC in Hatyai im Südwesten Thailands vier Werke für die Produktion von Latex-Untersuchungs- und Schutzhandschuhen am Ende von kilometerlangen Kautschukplantagen „auf der grünen Wiese“. Sri Trang-Chef Viyavood Sincharoenkul führte die Geschäfte der Fabriken seit 1989 höchst erfolgreich. Es war für Semperit der geglückte Beginn eines Weges unter dem erfolgreichen Generaldirektor Rainer Zellner zum mustergültig globalisierten Kautschukkonzern mit heute 22 Produktionsstätten in zwölf Ländern auf drei Kontinenten und einem international hervorragenden Ruf.
Sri Trang hatte als der inzwischen weltgrößte Hersteller von Naturkautschuk direkt auf dem Werksgelände eine Latexproduktion beigesteuert, was entsprechende Kosten-, Entwicklungs- und Verarbeitungsvorteile mit sich brachte. Ein zweiter Standort wurde später in Surat Thani 300 km nördlich von Hatyai ausgebaut.
Im Mai 2011 übergab Zellner die Semperit-Führung schuldenfrei an Fahnemann. Dieser versuchte bald, dem Partner in Thailand die Geschäftsführung zu entreißen und ihn hinauszudrängen. Und das dem Vernehmen nach in präpotenter und gehässiger Manier. 2012 sorgte er für einen weiteren Affront mit dem (überteuerten) Kauf der Handschuhfabrik Latexx Partners in Malaysia. Ohne den thailändischen Partner überhaupt zu informieren, geschweige denn zur Teilnahme einzuladen. Sri-Trang-Boss Viyavood ließ daraufhin Mitarbeiter des nunmehrigen Konkurrenten aus Österreich nur mehr in Begleitung des Werksschutzes in die Handschuhfabriken, um Werksspionage zu verhindern.
Auf der Hauptversammlung im Mai 2013 stritt Fahnemann im Beisein von Aufsichtsrats-Präsident Veit Sorger auf Anfrage eines Aktionärs die von ihm selbst verursachten und durchaus kursrelevanten Probleme glatt ab.
Nach einem verlorenen Rechtsstreit gegen Sri Trang vor einem thailändischen Gericht hatte Fahnemann Anfang September 2014 ein Schiedsgerichtsverfahren bei der International Chamber of Commerce (ICC) in Zürich angestrengt – in der irrigen Annahme, die Joint-Venture-Gesellschaft SSC auf diesem Weg zur Gänze übernehmen zu können. Dieses kursrelevante Risiko blieb den Aktionären verborgen. Tatsächlich sprach das Schiedsgericht im Jänner 2017 die hochprofitablen Werke dem thailändischen Partner zu. Damit nicht genug, hob das Schiedsgericht auch ein bestehendes Konkurrenzverbot als rechtswidrig auf, so dass Sri Trang nunmehr die ehemaligen Sempermed-Handschuhe in die EU exportieren und Semperit Konkurrenz machen kann.
Fahnemann hatte in dem von ihm begonnenen sechsjährigen Dauerstreit die volle Rückendeckung des Aufsichtsratsvorsitzenden Sorger, der 2016 (für das Jahr 2015) immerhin üppige 130.667 Euro kassierte – nach 93.620 Euro im Jahr davor. Wofür, ist unklar. Denn: Wo war die Leistung? Vielleicht darin, dass Sorger Journalisten, die auch das Engagement in Malaysia kritisch beleuchteten, öffentlich als Querulanten bezeichnete? Die Entwicklung von Semperit kann es nämlich nicht gewesen sein. Denn die war negativ.
Engagement in Malaysia erscheint eher desaströs
Auch der Kauf des malaysischen Medizinhandschuh-Herstellers Latexx Partners im Jahr 2012 um 152 Mio Euro stellte sich als teurer Fehlgriff heraus. Schon damals führten Analysten an, dass die sechs Fertigungslinien überaltert seien und ein Modernisierungsbedarf von 45 bis 50 Mio Euro bestünde, was die Erwerbskosten auf rund 200 Mio Euro treiben sollte.
Ein Neubau wäre wesentlich billiger gewesen. Tatsächlich hat eine von Semperit im Juni 2014 selbst errichtete Fabrik in unmittelbarer Nachbarschaft der Fehlinvestition mit ähnlicher Kapazität nur rund 50 Mio Euro gekostet. In Thailand beliefen sich die Investitionskosten für das Werk in Surat Thani auf rund 25 Mio Euro – für eine Kapazität von mehr als
4 Mrd Stück.
Doch der große Geschäftserfolg blieb aus. Die Ära Fahnemann/Sorger endet vorerst mit einem negativen Ergebnis nach Steuern von 8,8 Mio Euro. 2013 standen noch 54,9 Mio Euro im Jahresabschluss. Ähnlich sah es beim operativen Ergebnis (EBIT) aus: 2011 lag es für beide Unternehmen zusammengerechnet bei 99,1 Mio Euro, 2016 nur mehr bei 27,3 Mio Euro (-72 %). Und das bei historisch niedrigsten Rohstoff- und Materialkosten. Entgegen der Jubelmeldungen von Fahnemann trägt Sempermed bei insgesamt rückläufigen Umsätzen trotz der neuen Werke in Malaysia statt 46 % wie im Jahr 2010 nur mehr 41 % zum Gesamtumsatz bei.
Autor: Dr. Wolfgang Freisleben (redaktion@boersen-kurier.at)