Die Schieflage des kroatischen Agrokor-Konzerns zieht weite Kreise

Seit Ende April sind acht Aktien von der Zagreber Börse suspendiert, eine Koalitionskrise in Kroatien bahnt sich an und in den ex-jugoslawischen Staaten werden Notstandgesetze ins Leben gerufen. So die bisherige Bilanz der Agrokor-Pleite, in die auch österreichische Banken involviert sind.

Von der Zagreber Börse sind acht Aktien – inklusive dem CROBEX-Schwergewicht Ledo d.d. – suspendiert. Alle acht Firmen sind Teil der größten ex-jugoslawischen Unternehmensgruppe, Agrokor, die seit Monaten mit finanziellen Schwierigkeiten kämpft. Die Agrokor-Gruppe ist das wichtigste Unternehmen in Kroatien und das nicht nur dort, sondern auch in der gesamten südosteuropäischen Region. Die Gruppe beschäftigt mehr als 60.000 Mitarbeiter in Kroatien, Slowenien, Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro.

Der Jahresumsatz der Gruppe betrug 2015 mehr als 6,6 Mrd Euro, das entspricht 14,7 % des kroatischen BIP. Die Zahlen vom vergangenen Jahr sind noch nicht bekannt, da PWC, die von dem neuen mit der Führung von Agrokor beauftragten Konsortium ernannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der Meinung ist, dass sich in den Büchern deutliche Ungereimtheiten finden und daher keine vertrauenswürdigen Daten über die Geschäftsführung der Unternehmen zur Verfügung stehen. Diese Tatsache war letztendlich die unmittelbare Ursache der Börsen-Suspendierung. Die Gruppe ist so bedeutungsvoll, dass, wenn sie in Konkurs ginge, eine riesige Pleite-Welle nach sich ziehen und die Wirtschaft der ganzen Region erschüttern würde.

Die kroatische Wirtschaft wächst bisher stabil, aber die negativen Auswirkungen sind bereits spürbar. Zum Beispiel fiel der Profit der Croatia Postal Bank um 89 % wegen der Abschreibungen der Agrokor-Kredite.

Genau aus diesen Gründen arbeiten die Gesetzgeber in Kroatien und in ihren Nachbarländern fieberhaft daran, eine Lösung zu finden. Das kroatische Parlament erließ ein neues Gesetz. Laut „Lex-Agrokor“ werden die Zulieferer eines Unternehmens, das auf National-Ebene bedeutungsvoll ist, vor den Kreditgebern bedient. In Slowenien, Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie in Montenegro wurden neue Gesetze angenommen, um den Abfluss des Kapitals der Agrokor-Töchter nach Kroatien zu verhindern.

Die Agrokor-Saga verursachte schon eine Koalitionskrise in Kroatien. Die kleinere Koalitionspartei („Brücke“) unterstützte den Finanzminister bei einem Misstrauensvotum nicht mehr. Das Votum wurde angeregt, weil die Opposition sagt, dass der Minister Zdravko Maric über die Probleme des Konzerns hätte Bescheid wissen müssen, da er bis vergangenes Jahr der Kapitalmarktdirektor der Unternehmensgruppe war. Aus diesem Grund verlässt die „Brücke“ die Koalition.

Die negativen Auswirkungen von Agrokor breiten sich bereits über die Region aus. Die russischen Sberbank musste im 1. Quartal 50 % einen 1,1-Mrd-Euro-Agrokor-Kredit abschreiben. Die VTB traf ähnliche Maßnahmen, sie finanzierte die Gruppe mit 300 Mio Euro. Die Schulden der Gruppe betragen insgesamt 6,3 Mio Euro, davon 900 Mio Euro in Form von Anleihen, die in der Hand von internationalen Investoren liegen. Die Kurse der von AXA Investment Management, Fidelity International und von zahlreichen Hedge-Funds gehaltenen Anleihen fielen seit Jänner um 75 bis 90 %. Diese Investoren stehen aber aufgrund der Gesetze jetzt in der Kreditgeberreihung beispielsweise deutlich hinter dem Schokoladenkeks-Produzenten Kras d.d. mit 4.000 Mitarbeitern.


Beim letzten Mal hat ein Kredit über 80 Mio Euro von einem Konsortium bestehend aus der Raiffeisen Bank, der Erste  Bank und Intesa Sanpaolo das Überleben der Agrokor-Gruppe noch gesichert.

Das Hauptproblem von Agrokor ist, dass es zu große Kredite für seine aggressiven Expansionspläne aufgenommen hatte. Und dies zum schlechtesten Zeitpunkt, wie viele meinen, da im Einzelhandelssektor, der für die Unternehmensgruppe überlebenswichtig ist, große Konkurrenten wie Lidl oder die Rewe-Gruppe durch den EU-Beitritt Zugang zu den Märkten bekamen. 

Autor: András Lovas-Romváry (redaktion@boersen-kurier.at)