Ein haushaltspolitischer Realitätstest für die Republikaner
Das erste wichtige Gesetzgebungsziel von US-Präsident Trump – die „Aufhebung und Ersetzung“ von „Obamacare“ – ist bereits gescheitert, was an der Naivität Trumps und der republikanischen Kongressabgeordneten über die Komplexität der Gesundheitsreform liegt. Jetzt versucht man sich an einer Reform der Körperschaftssteuer und anschließend der privaten Einkommensteuer.
Der von den Republikanern im Repräsentantenhaus vorgelegte Plan zur Senkung des Körperschaftssteuersatzes von 35 auf 15 % bei Ausgleich der Einnahmeverluste durch eine Grenzanpassungssteuer war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Nicht einmal in der eigenen Partei genießt die Grenzanpassungssteuer ausreichend Unterstützung, und zudem würde sie gegen die Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO) verstoßen. Die vorgesehenen Steuersenkungen der Republikaner würden im Verlaufe des nächsten Jahrzehnts Steuerausfälle von 2 BioUSD verursachen, und sie können dieses Loch weder durch Einsparungen aus ihrem Plan zur Gesundheitsreform noch durch die 1,2 BioUSD stopfen, die man von einer Grenzanpassungssteuer hätte erwarten können.
Die Republikaner müssen sich jetzt entscheiden, ob sie ihre Steuersenkungen verabschieden (und so die Staatsverschuldung um 2 BioUSD erhöhen) wollen oder ob sie eine sehr viel bescheidenere Reform verfolgen. Das erste Szenario ist aus drei Gründen unwahrscheinlich. Erstens werden sich haushaltspolitisch konservative republikanische Kongressabgeordnete einer unverantwortlichen Ausweitung der Staatsverschuldung widersetzen. Zweitens schreiben die Haushaltsregeln des Kongresses vor, dass jede Steuersenkung, die nicht vollständig durch andere Einnahmen oder durch Ausgabekürzungen gegenfinanziert ist, innerhalb von zehn Jahren ausläuft.
Und drittens steigen, wenn Steuersenkungen und eine Erhöhung der Ausgaben für Militär und Infrastruktur Defizite und Staatsverschuldung in die Höhe schrauben, zwangsläufig die Zinsen. Dies würde zinssensible Ausgaben etwa im Bereich des Wohnungsbaus behindern und zu einem steilen Anstieg des Dollars führen, der Millionen von Arbeitsplätze vernichten könnte und Donald Trumps Kernwähler – die oft zitierten weißen Arbeiter – am schwersten treffen würde.
Zudem könnte, wenn die Republikaner die Schulden aufblähen, die Reaktion der Märkte zu einem Absturz der US-Konjunktur führen. Aufgrund dieses Risikos werden die Republikaner eventuelle Steuersenkungen durch neue Einnahmen und nicht durch Aufnahme von Schulden finanzieren müssen. Infolge-dessen dürfte ihre als Löwe abgesprungene Steuerreform höchstwahrscheinlich als piepsendes Mäuschen landen.
Selbst eine Senkung des Körperschaftssteuersatzes von 35 auf 30 % wäre schwierig. Die Republikaner müssten die Steuerbasis verbreitern, indem sie komplette Branchen – wie den Pharma- und den Technologiesektor -, die gegenwärtig kaum Steuern zahlen, zwingen, mehr zu bezahlen. Zudem müssten die Re-publikaner, um den Körperschaftssteuersatz unter 30 % zu drücken, eine hohe Mindeststeuer auf die ausländischen Gewinne dieser Unternehmen erheben. Dies würde eine Abkehr vom gegenwärtigen System bedeuten, bei dem Billionen Dollar an Auslandsgewinnen bis zu ihrer eventuellen Rückführung in die USA steuerfrei bleiben.
Trump hat im Präsidentschaftswahlkampf eine einmalige Senkung der Rückführungssteuer auf 10 % versprochen, um amerikanische Unternehmen zur Rückführung ihrer Auslandsgewinne in die Vereinigten Staaten zu bewegen. Doch würde diese nur 150 bis 200 BioUSD an zusätzlichen Einnahmen einbringen – nicht einmal 10 % der Haushaltslücke, die der Plan der Republikaner schaffen würde. So oder so sollte man die Einnahmen aus der Rückführungssteuer verwenden, um Ausgaben für die Infrastruktur oder die Schaffung einer Infrastrukturbank zu finanzieren.
Einige republikanische Kongressabgeordnete, denen bereits bewusst ist, dass die Grenzanpassungssteuer eine Schnapsidee ist, schlagen nun vor, die Körperschaftssteuer durch eine Mehrwertsteuer zu ersetzen, was gemäß den WTO-Regeln zulässig wäre. Doch auch diese Option dürfte nirgendwohin führen. Die Republikaner selbst haben sich einer Mehrwertsteuer immer entschieden widersetzt, und es gibt im Kongress sogar einen explizit mehrwertsteuerfeindlichen republikanischen Block.
Die traditionelle republikanische Ansicht besagt, dass sich eine derart „effiziente“ Steuer zu leicht im Laufe der Zeit erhöhen ließe, was ein „Aushungern der Bestie“ durch Abbau „verschwenderischer“ Staatsausgaben erschweren würde. Die Republikaner verweisen diesbezüglich auf Europa und andere Teile der Welt, wo der Mehrwertsteuersatz anfangs niedrig war, dann allmählich in zweistellige Höhen stieg und heute in vielen Ländern 20 % übersteigt.
Auch die Demokraten sind traditionell gegen eine Mehrwertsteuer, weil es sich dabei um eine hochgradig regressive Form der Besteuerung handelt. Und während man sie weniger belastend machen könnte, indem man Lebensmittel und andere zur Grundversorgung gehörende Güter von der Steuer befreit oder mit einem ermäßigten Steuersatz belegt, würde das die Steuer für die Republikaner nur noch unattraktiver machen. Angesichts des Widerstands in beiden Parteien ist die Mehrwertsteuer – wie die Grenzausgleichssteuer – schon jetzt gescheitert.
Noch schwieriger dürfte sich eine Reform der privaten Einkommensteuer gestalten. Erste Vorschläge Trumps und der republikanischen Führung hätten im Verlauf des nächsten Jahrzehnts 5 bis 9 BioUSD gekostet, und 75 % der Steuerermäßigungen wären an das oberste 1 % gegangen – eine politisch selbstmörderische Idee. Nun, nachdem sie ihren ursprünglichen Plan aufgegeben haben, behaupten die Republikaner, dass sie eine kostenneutrale Steuersenkung anstreben, die keine Steuersenkungen für das oberste 1 % der Einkommensbezieher vorsieht.
Aber auch das sieht nach einer „Mission Impossible“ aus. Die Umsetzung kostenneutraler Steuersenkungen für nahezu alle Einkommensgruppen bedeutet, dass die Republikaner viele Steuerbefreiungen auslaufen lassen und die Steuerbasis auf eine Weise verbreitern müssten, die politisch unhaltbar wäre. Falls die Republikaner beispielsweise die Steuerabzugsfähigkeit der Hypothekenzinsen von Hauseigentümern streichen würden, würde der US-Wohnungsmarkt zusammenbrechen.
Letztlich besteht meines Erachtens der einzig vernünftige Weg, Steuersenkungen für
Arbeitnehmer mittleren und niedrigen Einkommens einzuführen, in Steuererhöhungen für die Reichen. Dies ist eine sozial fortschrittliche populistische Idee, die ein pseudopopulistischer Plutokrat wie Trump nie akzeptieren wird.
Es sieht also aus, als würden sich die Republikaner trotz überwältigender Beweise für das Gegenteil weiterhin der Illusion hingeben, dass eine angebotsorientierte Trickle-down-Steuerpolitik funktioniert.
Autor: Nouriel Roubini; Roubini ist CEO von Roubini Macro Associates und Professor für Ökonomie an der Stern School of Business der New York University. Aus dem Englischen von Jan Doolan, © Project Syndicate 1995 – 2017