„Von Nervosität kann an den Börsen nicht die Rede sein“

Experten glauben derzeit nicht an ein Ende der Aktienrallye. Nichtsdestoweniger wären kurzfristige Gewinnmitnahmen möglich. Ein Risikofaktor bleibt die Geopolitik.

Wie lange hält die Rallye an den Aktienmärkten noch an? Diese Frage stellen sich dieser Tage nicht wenige Anleger – und zwar völlig zu Recht. Denn auch 2017 gaben die Bullen an den Börsen bislang ganz klar den Ton an. Erst kürzlich erreichte etwa der DAX ein neues Allzeithoch. Auch anderswo stehen die Börse-Ampeln auf Grün, wie ein Blick auf wichtige Indizes wie Euro Stoxx 50 (Performance seit Jahresanfang: +10 %), Dow Jones (+6 %), S&P 500 (+7 %) oder FTSE 100 (+3,41 %) bestätigt.

„Da die Märkte nun schon seit längerem gut gelaufen und die Bewertungen höher sind, ist natürlich auch das Risiko einer Korrektur gestiegen bzw. das Enttäuschungspotenzial größer geworden“, sagt Bernd Maurer, Chefanalyst der Raiffeisen Centrobank (RCB), im Börsen-Kurier-Gespräch. Grund zur Besorgnis sieht er derzeit dennoch nicht. Die wirtschaftlichen Vorlaufindikatoren würden sich nämlich weiter positiv entwickeln. Auch sei kein zu positives Szenario an den Märkten eingepreist, was normalerweise schlecht für „Risky Assets“ wie Aktien wäre.

Zuletzt leichte Abschläge
Wie Friedrich Mostböck, Chefanalyst der Erste Group, festhält, waren an den Märkten zuletzt leichte Abschläge zu beobachten. „Von Nervosität bzw. einem Ende der Aktienrallye der letzten Jahre kann aber nicht die Rede sein, eher von kurzfristigen Gewinnmitnahmen“, sagt er. Allerdings räumt er ein, dass immer etwas Unvorhergesehenes passieren könnte, das zumindest eine vorübergehende Korrektur einleitet. „Die geopolitische Lage hat sich noch nicht entspannt und bleibt ein Risikofaktor“, meint auch Maurer.

Positiv sehen Experten, dass das Damoklesschwert der Frankreich-Wahlen nicht mehr über den Märkten schwebt. „Wir gehen davon aus, dass die europäischen Börsen das Wahlergebnis in Frankreich positiv aufnehmen und sich der Aufwärtstrend weiter fortsetzt“, so Nicholette MacDonald-Brown, Europa-Fonds-Managerin bei Schroders. Für europäische Aktien sprechen laut MacDonald-Brown die noch immer äußerst attraktiven Bewertungen – „und zwar sowohl in absoluten als auch relativen Werten.“ Auch Mostböck spricht Europa – im Gegensatz zu den USA, wo die Bewertungen mit einem für 2017 erwarteten KGV von 18 schon sehr weit fortgeschritten wären – Potenzial zu. Interessant wären vor allem zyklische Werte, für die auch das Sektor-Momentum spreche.

Besonders attraktiv ist für Mostböck der ATX mit einem für heuer erwarteten KGV von 14,5 (2018e: 12,4). „Für den Wiener Markt spricht auch das Gewinnwachstum der Unternehmen – heuer gehen wir von
+30 %, 2018 von +17 % aus – sowie die Dividendenrendite von 3 % (2018: 3,5 %).“ Zudem profitiere der ATX, der mit einem Plus von rund 17 % seit Jahresbeginn klarer Outperformer sei, vom CEE-Exposure – sprich der positiven Wachstumsdifferenz der Region zur Eurozone. Heuer gehe er im CEE-Raum von einem Wirtschaftswachstum von 3,3 % (2018: 3,1 %) aus, in der Eurozone dagegen von 1,9 % (2018: 1,7 %).

 

Top-Empfehlungen
Zu den Top-Empfehlungen der Erste Group zählt derzeit die CA Immo.
„Die Aktie notiert trotz des hohen Deutschland-Anteils des Portfolios von 44 % sowie der attraktiven Development-Pipeline deutlich unter Buchwert“, so Mostböck. Heiße Tipps wären auch Andritz und Palfinger. Bei der RCB hat man wiederum die VIG auf der Rechnung, ebenso wie STRABAG, EVN und Agrana. „SBO sollte wiederum von steigenden Ölpreisen sowie der bis zum Jahresende erwarteten verstärkten Bohrtätigkeit profitieren“, so Maurer.

Autor: Mag. Patrick Baldia (redaktion@boersen-kurier.at)