Wie Banken von „PSD 2“ profitieren können

Die überarbeitete Fassung der Richtlinie über Zahlungsdienste der Europäischen Kommission öffnet den Markt im Zahlungsverkehr weiter für neue Dienstleistungen und forciert damit den Wettbewerb zwischen etablierten Bankinstituten und neu hinzukommenden Konkurrenten, insbesondere aus dem Bereich der Fintechs.

Im Fokus steht dabei die Anforderung an Finanzdienstleister, Systemschnittstellen zu schaffen, die es Drittanbietern (sogenannte third party providers, TPP) erlauben, im Auftrag des Kunden automatisiert Zugriff auf Kontodaten zu erhalten (sogenannte account information services, AIS) oder Zahlungen zu initiieren (sogenannte payment initiation services, PIS). Für alle Beteiligten (Banken, Drittanbieter und Endkunden) ergeben sich hieraus weitreichende Konsequenzen. Banken sind in besonderem Maße betroffen – müssen sie doch zahlreiche technische Anpassungen vornehmen und verlieren gleichzeitig ein Stück Exklusivität in Bezug auf ihre Kundenbeziehungen. Durch angemessene Strategien können auch Banken zu Nutznießern dieser regulatorischen Veränderungen werden – doch die Zeit drängt. Die PSD 2 (Payment Services Directive 2) ist von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bis zum 18. Jänner 2018 umzusetzen.

Mit der ersten Richtlinie über Zahlungsdienste (PSD, Inkrafttreten 2007) wurde ein einheitlicher Rechtsrahmen für den Zahlungsverkehr innerhalb der EU geschaffen. Mit der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD 2) werden die zahlreichen neuen Marktteilnehmer (insb. Fintechs) berücksichtigt. PSD 2 zielt neben der Forcierung des Wettbewerbs insbesondere auf die Stärkung des Verbraucherschutzes, die Förderung von Innovationen, aber auch auf die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs zwischen den Zahlungsdienstleistern.

Damit sind substanzielle Auswirkungen auf den Markt und insbesondere auch auf die etablierten Institute zu erwarten. Durch die Offenlegung von Kontoinformationen (natürlich nur bei Kundenzustimmung) und die Durchführung von Zahlungsanweisungen bei Kundenwunsch kann den etablierten Kreditinstituten ein essentieller Kontakt zu ihren Kunden genommen und durch Dritte besetzt werden. Es ist damit zu rechnen, das Third Party Provider (TPP) auf Basis der von den Kreditinstituten bereitgestellten Daten Produkte, Dienstleistungen sowie neue Geschäftsmodelle entwickeln und damit den Wettbewerb verschärfen.

PSD 2 als Chance für etablierte Player
Angesichts der Veränderungen, die sich durch PSD 2 ergeben, sollte der Fokus bei Banken jedoch nicht (nur) auf den zur Umsetzung erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen liegen, sondern vielmehr auf der Frage, wie die aus der Neuerung resultierenden Chancen optimal zu nutzen sind. Um von den Veränderungen im Wettbewerb profitieren zu können, müssen Banken angemessene, strategische Handlungsoptionen entwickeln:

1. Entwicklung neuer Geschäftsmodelle: Auch etablierte Banken können typische TPP-Produkte und -Services anbieten. Produktinnovationen an der Schnittstellen, wie etwa gebührenbasierte Premium-Services, die Dritten angeboten werden bzw. die Dritte Endkunden anbieten können, wären ebenfalls denkbar.

2. Stärkung des bestehenden Geschäfts: Eine substanzielle Verbesserung des Kundenerlebnisses ist notwendig, um ein Abwandern der Kunden zu neuen Konkurrenten aus dem Bereich der Fintechs zu verhindern. Dazu ist es erforderlich, Prozesse und die Interaktion mit Kunden (inkl. erforderlicher Technologien) zu verbessern. Durch eine moderne Dateninfrastruktur mit hoher Datenqualität können Innovationen und Technologien effizient integriert werden.

Ein reiner Fokus auf „Compliance“ mit regulatorischen Anforderungen wird jedenfalls nicht ausreichend sein, um sich langfristig am Markt behaupten zu können. Wie jeder Veränderungsprozess bietet auch die PSD 2 die Möglichkeit, sich durch rasche und flexible Anpassung vom Wettbewerb zu differenzieren. Insbesondere aufgrund der ohnehin erforderlichen und substanziellen Investitionen sollte ein innovationsorientierter Ansatz das Vorgehen der etablierten Finanzinstitute prägen.

Autor: Michael Widowitz, Associate Director bei the Boston Consulting Group und Experte für Risk Management