610 Mrd Euro suchen Veranlagung

Anlässlich des kommenden zweiten Geburtstages des Alternativfinanzierungsgesetzes (AltFG) zogen Experten und Praktiker eine Zwischenbilanz in Sachen neuer Finanzierungsinstrumente wie Crowdinvesting.

Für Christian Moser, Vizepräsident der WKNÖ, erfordern die Regulierungen in der Bankenlandschaft eine Umstellung bei der Finanzierung von KMU, Familienunternehmen und Gründern und eine Ergänzung der „drei F: Family, Friends & Fools“. Und es brauche eine Umstellung im Unternehmergeist, weg vom „Lieber kein Risiko eingehen“, sagte er bei einer Informationsveranstaltung der Sparte Information und Consulting (zu der auch die Fachgruppe der Finanzdienstleister gehört, Anm.) der WKNÖ.

Geld plus Zusatznutzen
Alternativfinanzierung kann eine „Nische“ füllen, die die traditionellen Finanzierungsinstrumente nicht erfüllen: also für Investitionen in ganz bestimmte Projektideen, betonte Gottfried Haber, Professor an der Donau-Uni Krems. Daher eignen sie sich für Neugründungen/Startups und für Wachstumsprojekte von KMU. Auch „Mischmodelle“ mit „Business Angel“ und „Crowd“ seien möglich. Abgesehen vom Geld gebe es noch vier „Zusatznutzen“: Kommunikationsschiene, die Möglichkeit des Erschließens neuer Absatzmärkte, die „regionale Wahrnehmung“, und man könne schon in einer frühen Projektphase „marktforschen“, ob die betreffende Idee gut ist.

610 Milliarden
Michael Holzer, der Obmann der Fachgruppe Finanzdienstleister der WKNÖ, verwies darauf, dass die Crowdinvesting-Plattformen, die sich an die freiwilligen Standes- und Ausübungsregeln der WKO für solche Plattformen halten, Qualität bieten. Laut Holzer gebe es in Österreich 610 Milliarden (!) Euro Sparvermögen, das in die Wirtschaft investiert werden könnte. Wegen des Risikos von Nachrangdarlehen würden Vermögensberater eine breite Streuung empfehlen.

Laut Philipp Bohrn, Geschäftsführer des Fachverbandes Finanzdienstleister der WKO, eigne sich KMU-Finanzierung gemäß AltFG für Summen zwischen 100.000 und 1,5 Mio Euro. Potenziellen Geldgebern steht ein „Informationsdokument“ zu, das von Dritten (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Vermögensberater) geprüft werden muss. Aber: „Die Crowd kommt nicht automatisch, und man muss – statt einem Geldgeber (Bank) – viele potenzielle Geldgeber überzeugen können“.

Verlustausgleich
Einer der AltFG-Erfinder, Abg.z.NR Werner Groiß, hält Eigenkapitalfinanzierung mittels Genussrechten für das „wesentlich interessantere Instrument“ für Unternehmenswachstum als Nachrangdarlehen. Der Obmann der WKNÖ-Bezirksstelle Horn und Vorsitzende des parlamentarischen Finanzausschusses ist selbst Gesellschafter der Crowdinvesting-Plattform Regionalfunding GmbH. Der Praktiker wünscht sich daher, dass auch Stiftungen über Alternativfinanzierung Geld in Österreichs Wirtschaft veranlagen. Ein „nächster Schritt“, beispiels-weise eine steuerliche Verlustausgleichsmöglichkeit, würde „Rückenwind bringen“.

Gute Projekte knapp
Alternativfinanzierungen sollen Frühphasen von noch „geschichtslosen“ Unternehmen finanzieren, so Bernd Litzka, in der Austria Wirtschaftsservice GmbH für Business Angels zuständig. Er sieht als „knappe Ressource nicht Investoren, sondern gute Projekte“. Denn die Statistik zeige, dass nur ganz wenige Startups wirklich erfolgreich werden, und die müssen dann extrem hohe Rendite bringen, um die „Ausfälle“ zu kompensieren.

Lückenschluss
„Auch wir begrüßen alternative Finanzierungsinstrumente“, so der Bankenvertreter in der Runde Hermann Kalenda. Denn, so der Hauptabteilungsleiter Kommerzkunden Niederösterreich RLB NÖ-Wien und Geschäftsführer der ecoplus International GmbH, „Banken leben von Fremdfinanzierungen, die ohne Alternativfinanzierungen, die eine Lücke schließen, nicht möglich wären“.

100 Tage
Mit dem Projekt „Zukunft mitgestalten“ hat Herbert Wimberger, Gründer und Geschäftsführer des Sanitärtechnik-Herstellers WimTec, eine alternative Wachstumsfinanzierung umgesetzt.

Mittels Emission von nachrangigen Darlehen wollte man 750.000 Euro lukrieren und durch das „nach Außen gehen“ habe man das in 100 Tagen geschafft.

Autor: Mag. Manfred Kainz  (redaktion@boersen-kurier.at)