ATX-Nachzügler mit Kurspotenzial
Unter den aktuellen Underperformern in ATX und ATX Prime findet sich laut Experten eine Reihe von interessanten Anlagechancen.
Nach einem starken Vorjahr mit einem Plus von rund 10 % ist der ATX auch im bisherigen Jahresverlauf mehr als gut unterwegs. Mit einer Performance von 21 % hat der heimische Leitindex die europäischen Leitmärkte bislang deutlich outperformed. Bernd Maurer, Chefanalyst der Raiffeisen Centrobank, sieht dahinter drei Gründe: „In weit fortgeschrittenen Aktienzyklen kommt es oft vor, dass sich Märkte, die in der zweiten Reihe stehen, besser entwickeln als die Leitbörsen.“ Weiters profitiere der Wiener Markt von der wirtschaftlichen Dynamik in der CEE-Region, ebenso wie von der guten Nachrichtenlage und Geschäftsentwicklung der ATX-Schwergewichte.
Angesichts der starken Performance im bisherigen Jahresverlauf ist aber bei so mancher Aktie die Luft schon recht dünn geworden, was das weitere Kurspotenzial betrifft. Ein Einstieg ist also durchaus mit Risiken verbunden – vor allem mit Blick auf die Bewertungen. Die gute Nachricht: Sowohl im ATX als auch im ATX Prime (Year-to-Date-Performance: +22 %) gebe es eine Reihe von interessanten Nachzüglern, die aus den verschiedensten Gründen performancemäßig enttäuscht haben, wie Experten im Gespräch mit dem Börsen-Kurier verraten.
Blue Chip Andritz
„Für uns sind derzeit Andritz und Agrana die Underperformer mit dem größten Potenzial“, sagt Erste-Group-Analyst Christoph Schultes. Im Falle von Andritz (Performance seit Jahresbeginn: -6,61 %) sei etwa der Aktienkurs nach der Veröffentlichung der Ergebnisse für das zweite Quartal Anfang August stark zurückgegangen, da die Divisionen Hydro und Metals enttäuschten. Vor allem in der Division Hydro wären Umsatz und Auftragseingang zuletzt zurückgegangen. Nichtsdestoweniger habe man den „absoluten Blue Chip“ weiterhin auf akkumulieren (Kursziel: 52 Euro) eingestuft.
Voll des Lobes für den steirischen Anlagenbauer ist auch Wolfgang Matejka, CIO der Wiener Privatbank. „Andritz ist eine großartige Firma, die mit hoher technologischer Kompetenz und internationaler Aufstellung punktet“, sagt er. Bis sich das schwächelnde Hydro-Geschäft erhole, könne es jedoch noch bis zu zwei Jahre dauern. Dann sei Andritz allerdings bestens aufgestellt. „Positiv zu sehen ist, dass die Tochter Schuler vom Dieselskandal – über den verstärkten Absatz von Autos ohne Dieselmotoren, für die sie Pressformen liefert – profitieren kann.“ Nachsatz des Experten: „Die Aktie ist weit mehr wert als der Börsenkurs.“
Nach einem starken Jahresbeginn ist der Kurs der Agrana-Aktie (Year-to-Date-Performance: -1,37 %) nach der Kapitalerhöhung im Feber wieder zurückgegangen. „Wir sehen dennoch weiteres Potenzial nach oben“, so Schultes. Die Frage sei nur, was ein Kurs-trigger sein könnte – möglicherweise ein positiver Newsflow im Zusammenhang mit der Akquisition der Zuckerfabrik Sunoko in Serbien.
Wie auch die Erste Group, hat die RCB für die Aktie des Zucker-, Stärke- und Fruchtkonzerns derzeit eine Kaufen-Empfehlung (Kursziel: 135,27 Euro) ausgesprochen. Nachdem der Zuckerpreis zuletzt gefallen ist, sieht Maurer allerdings das Risiko, dass manche Schätzungen (bezüglich der weiteren Entwicklung des Zuckerpreises) zu optimistisch sein könnten.
Auf der aktuellen Liste der Kaufempfehlungen der RCB findet sich auch SBO (Kursziel: 80 Euro), die im bisherigen Jahresverlauf ein Minus von 27,40 % zu Buche stehen hat. „Der Hauptgrund dafür ist, dass wir stärkere Investitionsausgaben der Hauptkunden des Unternehmens erwarten und damit auch eine bessere Entwicklung des Geschäftszahlen“, erklärt Maurer. Auch Matejka gefällt der Ölfeldausrüster. „SBO ist ein exzellent gemanagtes Unternehmen, das es geschafft hat, sich in einem desaströsen Umfeld, in dem Investitionsversprechen der Kunden verschoben wurden, zu behaupten und hohe Flexibilität an den Tag gelegt hat – etwa über die Entwicklung eines Arbeitszeitmodells für zyklische Marktphasen“, so der CIO. Für den Fall, dass sich der Ölpreis stabilisiere, sollte SBO dank des Technologievorsprungs gegenüber der Konkurrenz wieder besser performen.
Der Baukonzern PORR (Year-to-Date-Performance:-27,42 %) leide wiederum unter Problemen in Randmärkten – etwa dem politischen Umfeld in Katar oder in Rumänien. Auch nicht gut für die Optik sei, dass sich ein Großteil des Managements kürzlich bei einem hohen Kursstand von Aktien getrennt habe. Die Erste Group hat die PORR derzeit auf reduzieren (Kursziel: 36,9 Euro) eingestuft. „Wir warten jetzt auf einen positiven Newsflow bzw. schauen wie sich das Geschäft in Deutschland entwickelt”, erklärt Schultes.
„Intensiv-Kandidat“ Semperit
„Hochinteressiert“ schaut sich Matejka nach eigenen Angaben derzeit Wolford (Year-to-Date-Performance: -16,47 %) an – die Aktie sei deutlich mehr wert als der Aktienkurs. Positiv zu sehen sei, dass sich die Altaktionäre entschlossen hätten ihre Anteile zu verkaufen. „Gut wäre jetzt ein neuer Investor – etwa aus der Luxusgüterbranche – sowie eine Kapitalerhöhung, die direkt in die Expansion des Unternehmens fließt.“ Der Leuchtenhersteller Zumtobel ist für Matejka wiederum eine „Restrukturierungsstory“ und der Kurs der Aktie (Year-to-Date-Performance: -3,44 %) reflektiere eine Übernahme.
Während DO & CO (-5,06 %) unter der Türkei-Präsenz leide, sonst aber einen guten Job mache und darüber hinaus nicht teuer sei, handele es sich bei Semperit (-0,62 %) um einen „Intensiv-Kandidaten“. „Der Aktienkurs ist noch immer relativ hoch, weil er die notwendigen drastischen Umstrukturierungen nur bedingt reflektiert“, so der Experte.
Autor: Mag. Patrick Baldia (redaktion@boersen-kurier.at)