Mangelnde Finanzbildung kostet viel Geld
Alle wollen es, viele tun auch was dafür: Finanzwissen unter die Leute bringen. Dazu gehört auch, Beratungslücken gar nicht erst aufgehen zu lassen.
„Oft werden irrationale Entscheidungen getroffen“, weiß Martin Taborsky. Der Gruppenleiter Finanzbildung in der Oesterreichischen Nationalbank relativiert den aktuellen Sparverlust in der Niedrigstzinsphase. „In 60 % der Monate seit dem Zweiten Weltkrieg hatten wir negative Realzinsen.“ 3 % Sparzinsen klangen zwar viel, aber standen 5 % Inflation gegenüber. Sich mit nur scheinbar guten Nominalzinsen zu begnügen, sei immer irrational. „Wir müssen vom Homo Economicus Abschied nehmen“, ist der Finanzbildungspraktiker pragmatisch. Ein erster Schritt in der Finanzwissensvermittlung müsse daher sein, diese Irrationalität den Menschen aufzuzeigen, ergänzt Bettina Fuhrmann. Erst dieses Vor-Augen-führen ermögliche den Menschen das Nachdenken über Alternativen, begründet die Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der WU Wien. Praktische Finanzbildung bedeute Wissen, das man bei konkreten Fragen des Geldausgebens, Sparens, Vorsorgens, Finanzierens – und auch des Geldverdienens (denn zuerst muss es ja woher kommen) entscheidungsunterstützend anwenden könne. Für Otto Lucius muss in der Bevölkerung „das Verständnis für finanzielle Zusammenhänge“ erzeugt werden. Dieses Verständnis fehle aber weitgehend, auch in Schulen, kritisiert der Vorstandsvorsitzende des Österreichischen Verbandes Financial Planners und nennt die Schuldigen: „Die Politik reagiert nicht.“ Oder überzogen: „Anlassgesetzgebung mag zwar gut gemeint sein, ist aber nicht immer gut gemacht.“
Beispiel Basel III: 5.000 Seiten könne niemand mehr durchdringen, daher ziehen sich Banken zurück. „Überzogener Konsumentenschutz ist der größte Feind“ von sinnvollem Schutz. Daher solle die Politik „weniger Fokus auf neue Gesetze und Vorschriften, dafür auf mehr Finanzbildung“ legen. Denn Wissen sei „der allerbeste Konsumentenschutz“.
Advice gaps
Beispiel zwei: Die Diskussion über Provisionen im Zusammenhang mit der Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD. Oft werde von Provisionsgegnern das Beispiel Großbritanniens angeführt. Aber, so Lucius, seit dort Beratungshonorare der Standard sind, gebe es „Advice gaps“, also Beratungslücken – oft genau bei den Menschen, die Finanzberatung dringend brauchen würden. Aber: „Der Gesetzgeber zwingt (Finanz-)Unternehmen als rational agierende Entrepreneure, davon abzugehen“, kritisiert Lucius. Und bricht eine Lanze für Finanzberatung abseits von Honoraren, die vielleicht gerade die abschrecken, die Beratung am dringendsten brauchen würden. „Provision ist nicht schlecht, ich muss sie nur offenlegen.“ Also dem Kunden sagen, dass und was er für die Finanzdienstleistung indirekt zahlt. Auch Taborsky warnt vor der „Gefahr“ für ganze Bevölkerungsgruppen, „dass man sich den Berater, dem man vertrauen kann, auch leisten kann“. Beispiel Junge: Die würden zwar „Robo Advisors“ verwenden, aber für die Letztentscheidung in Gelddingen wollen auch die jungen Leute Ansprechpartner aus Fleisch und Blut, so Lucius. Daher suchen sogar Robo Advisors bestausgebildete Finanzberater. Umso mehr,
als die Digitalisierung viele – ältere – Kunden vor Probleme stellen werde. Taborsky warnt in dem Zusammenhang davor, dass Menschen ein „Opting out“ aus der Finanzwelt machen: dass sie ihr Geld lieber zu Hause haben, als sich in Finanzfragen Dienstleistern anzuvertrauen. Leute, die früher in Gelddingen durchaus „included“ waren, würden sich „excluden“.
Kein Alterslimit
Beratungslücken gebe es daher in allen Altersgruppen: Jugendliche hätten durchaus das Bedürfnis zu lernen, was sie anwenden können. Denn „ihr Bewusstsein ist da: Spätestens wenn ich die Schule verlasse, brauche ich Finanzwissen um mich orientieren zu können“, so Fuhrmann.
Und auch Erwachsene (sogar Lehrpersonen) seien oft überfordert: So berichten Schuldnerberater und „Finanzführerschein“-Bildungsanbieter, dass sie mit dem Alter ihrer Kundschaft „hinaufgehen“ müssen. Neben Jungen habe man „schon Eltern und Großeltern“.
Autor: Mag. Manfred Kainz (redaktion@boersen-kurier.at