Was der Kapitalmarkt dringend braucht
Die Hebel, um Österreich im internationalen Ranking der Kapitalmärkte weiter nach vorne zu bringen, sind gar nicht so spektakulär. Umso mehr müsste man sie rasch bewegen.
Es brauche in Österreich mehr Verständnis für die Bedürfnisse der Investoren. Und dazu müsse man schon früh ansetzen. „Understanding the Investor Universe“ sei entscheidend für einen „maßgeschneiderten“ Zugang zu Kapital. Das gehöre schon zum „Pre-Capital Market-Ready“-Sein, also zur Entwicklung des vorbörslichen Kapitalmarktes. Das fordert Antonella Mei-Pochtler, Senior Partner & Managing Director der international tätigen Boston Consulting Group. So wie sich Unternehmen Gedanken über die Kundenbedürfnisse machen, müsse man sich auch Gedanken über Investorenbedürfnisse machen. Zu deren Kriterien gehören unter anderem die Fondsmanagervorgaben im Verhältnis zu Benchmark, Ertragswachstumserwartungen, Zeithorizont, erwartetes Price/Earnings-Multiple und Zielrendite, die alle je nach Investorentyp sehr unterschiedlich seien. Für den Kapitalmarkt bedeute das, sich rechtzeitig die Frage zu stellen: Welchen Investorentyp will ich? „Yield Investor, Core Value-, Alpha Value-, Income Growth- und/oder Core Growth-Investoren“? Was die „IPO-Readiness“ betrifft, nennt Mei-Pochtler „interne und externe Readiness-Elemente“, die es zu erfüllen gelte. Interne Fitness für die Börse umfasse strategische und finanzielle, Reporting & Compliance-, Governance- sowie verwaltungsorganisatorische Readiness. Die externe Readiness fordere hingegen die Märkte und Staat bzw. Gesetzgeber. Denn da fallen die „rules and regulations“ hinein, genauso wie Sustainable-Development-Implikationen. Beim „Eigenkapital Forum 2017“ im Haus der Industrie hielt die international erfahrene Consulterin beispielsweise das Österreichische Aufsichtsratssystem für schlecht geeignet, seine Erwartungshaltung zu erfüllen. Das Schweizer „monistische“ Boardsystem sei „näher“ an den Praxiserfordernissen.
Auch Rudolf Kinsky nennt eine lange To-do-Liste, um den heimischen Kapitalmarkt auf Vordermann zu bringen. Der Präsident der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO) wünscht sich, dass institutionelle Investoren in österreichische VC/PE-Fonds investieren. Vom Gesetzgeber fordert er fehlende Rahmenbedingungen für VC/PE-Fonds ein. Das neue ittelstandsfinanzierungsgesellschaften-Gesetz sei „keine Lösung“ und werde „leider keine großen Änderungen bringen“. Außerdem seien staatliche Stellen „ausschließlich auf Start-ups fokussiert“, mit denen allein werde aber die Volkswirtschaft nicht wachsen – auch weil Start-ups mit größerem Kapitalbedarf ins Ausland gehen (müssen). Daher fordert Kinsky Unterstützung für eine „visionäre Ausgestaltung“ des Kapitalmarktes. Das brauche – mit einem transparenteren und koordinierteren Förderwesen – eine Standortpolitik, die Österreich als internationalen Finanzplatz für VC/PE stärkt: etwa mit einer „steuertransparenten endbesteuerten KG-Lösung“. Und die AWS solle als „Ankerinvestor“ in privatwirtschaftliche Fonds investieren, nach Vorbild des dänischen „Dachfonds-Modells“.
Bei der Regulierung setzt der Präsident der Industriellenvereinigung und CEO der börsenotierten Kapsch-TrafficCom Georg Kapsch an. Basel III sei „kontraproduktiv“, reguliert wurden Kommerzbanken, dabei gehöre vielmehr bei Hedgefunds und grauem Kapitalmarkt die Regulierung. Wenig Kapitalmarktengagement sei eine Frage der Mentalität, die es zu ändern gelte: Wenn die Politik den Kapitalmarkt als „Spekulation“ ansieht, dürfe man sich nicht wundern, dass Österreich kein Aktionärsland sei. Es brauche Deregulierung für normale Börsennutzer, die „mittlerweile im Regulativ untergehen“, und steuerliche Entdiskriminierung von Eigenkapital und PE-Gesellschaften.
Autor: Mag. Manfred Kainz (redaktion@boersen-kurier.at)