„Gang an die Börse, und nicht Delisting sollten attraktiv sein“
Hinausgedrängt zu werden will niemand, und zu billig abgespeist werden, auch nicht. Das gilt in allen Lebenslagen, so auch im Verhältnis zwischen Haupt- und Minderheitsaktionären.
Trotzdem kommt es (gar nicht so selten) vor – und sorgt entsprechend für Konfliktstoff bis hin zum Bemühen von Gerichten. Im Kapitalmarktjargon nennt sich das Reizthema „Gesellschafter-Ausschluss“ oder „Squeeze-Out“.
Diesem und dem damit oft folgenden Überprüfungsverfahren der Angemessenheit des Abfindungsangebots widmete sich ein Workshop des Interessenverbandes für Anleger (IVA):
Dazu kamen in der Wiener „Klimt Villa“ mehr als 30 Experten zusammen, darunter bekannte Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Vertreter der Justiz und des Gremiums, betroffene Aktionäre sowie Anlegerrechtsexperten aus Deutschland. Anlass für den Workshop gab es gleich doppelt: Zum einen ist in Österreich der Gesellschafterausschluss seit 2006 gesetzlich geregelt und so konnte man über zehn Jahre Erfahrungen mit den praktischen Auswirkungen der rechtlichen Bestimmungen diskutieren. Und zum anderen ist das Thema im Hinblick auf die Anfang 2018 in Kraft tretenden Gesetzesbestimmungen zum Delisting von der Wiener Börse hochaktuell und besonders brisant.
Zu den abgeschlossenen Gesellschafter-Ausschluss-Verfahren der vergangenen Jahre zählen so prominente, ehemals börsenotierte Namen AUA, Constantia Iso, Steyr-Daimler-Puch und ein Dutzend mehr.
Aber auch laufende Ausschluss-Verfahren bei weiteren bekannten Namen sorgen für Verdruss: Bank Austria, BDI, Constantia Packaging, conwert, Miba, Schlumberger, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Hinzu kommen Verschmelzungen, die für Aktionärsunruhe sorgten: CA Immo, Immofinanz/east, RHI, S&T, UBM, Intercell/Valneva.
Prüfer in Prüfung
Ein zentrales Problemfeld ist die Unternehmensbewertung für die Bemessung des Abfindungsangebotes an die auszuschließenden Gesellschafter, also zum einen das Bewertungsgutachten. Denn der Hauptgesellschafter hat ja das kaufmännische Interesse, dass er möglichst wenig zahlen muss. Dazu kommt zum anderen dann die Überprüfung der Angemessenheit der errechneten Abfindung durch einen vom Gericht zu bestellenden Prüfer, die vielen betroffenen Aktionären sauer aufstößt. Wird doch dieser Prüfer in der Praxis in einem Dreiervorschlag vom Hauptaktionär dem Gericht vorgeschlagen.
Und dass diese Prüfer dann die Bewertung nur auf „Plausibilität“ durchchecken, aber nicht auf die Richtigkeit der Planungsannahmen – die aber maßgeblich für das Bewertungsergebnis und damit für die Höhe des Abfindungsangebots sind. Von Juristen kritisiert wird weiters, dass die Prüfer nur aus einem kleinen Kreis von Großkanzleien ausgewählt werden und die Prüfer in ihren Auftragsbedingungen keine bzw. nur eingeschränkte Haftung übernehmen. Fazit aus all dem aus Kritikersicht: ein zu niedriges Bewertungsergebnis und damit ein aus Betroffenensicht zu niedriges Abfindungsangebot.
Gefordertes Gremium
Wenn ausgeschlossene Gesellschafter bei Gericht eine Überprüfung verlangen, kommt ein Verfahren in Gang, das ebenfalls für manch Unzufriedenheit sorgt. Das Firmenbuchgericht beauftragt im Falle solcher Überprüfungsanträge dann das sogenannte „Gremium“. Diesem kommt eine Gutachter- und Schlichtungsfunktion zu und soll auf eine vergleichsweise Einigung hinwirken. Beobachter des Gremialverfahrens wünschen sich zum einen eine verbindliche Verfahrensregelung, die Rechtssicherheit schafft und Verfahrensverschleppungen unterbindet. Unglücklich ist man auch mit der jetzigen Ansiedelung des Gremiums bei der Finanzmarktaufsicht. Gefordert wird daher, dass – im Bewusstsein der Schnelligkeit des Kapitalmarktes – dem Gremium mehr Mittel und moderne Infrastruktur (etwa wie bei der Übernahmekommission) in die Hand geben werden und die dominierende sozialpartnerschaftliche Zusammensetzung zu überdenken. Auch die Honorierung der Gremialmitglieder sei ihrem Aufwand nicht entsprechend. „Das Prinzip stimmt, aber das Kapillarsystem gehört verbessert“, formulierte es Gesellschaftsrechts-Doyen Univ. Prof. Peter Doralt.
Aufgabe für neue Regierung
Die Vertreterin des ressortmäßig zuständigen Justizministeriums, Sonja Bydlinski, bekundete abschließend ihren Wunsch, eine Reform des Gremialrechts in das kommende Regierungsprogramm aufnehmen zu wollen. Dabei solle es unter anderem um eine Straffung, bessere Ansiedelung und Ausstattung und die Rolle des gemeinsamen Vertreters gehen. Insgesamt solle mit einer Reform das Verfahren vor dem Gremium so verbessert werden, dass es den heutigen Praxisansprüchen gerecht wird. Workshop-Gastgeber IVA-Präsident Wilhelm Rasinger formulierte das übergeordnete Ziel aller gesetzlicher und verfahrenstechnischer Verbesserungen: „Unser Hauptaugenmerk soll bzw. muss sein, einen attraktiven Kapitalmarkt zu haben.“ Das An-die-Börse-gehen solle attraktiv sein, nicht das Delisting. Die Formulierung von Vorschlägen für die neue Regierung solle „zum Vorteil des Börseplatzes Wien sein“.
Autor: Mag. Manfred Kainz (redaktion@boersen-kurier.at)