Jäger des verborgenen Schatzes
In unseren Städten aber auch in Geräten des täglichen Gebrauchs schlummern Unmengen wertvoller Rohstoffe, beispielsweise die Seltenen Erden, die nur sehr begrenzt auf der Welt vorhanden sind. Sie zu heben, hat sich Urban Mining vorgenommen.
Blei in Gold verwandeln – an dieser Idee sind Alchemisten seit Äonen gescheitert. Keine Zauberei ist es hingegen, wertvolle Rohstoffe aus unserer direkten Umgebung (wieder) zu gewinnen. Reichhaltiges Potenzial ist vorhanden: So „sitzt“ etwa jeder Wiener auf einem menschengemachten Lager von rund
400 Tonnen Sand, Kies, Metallen, Elektrogeräten, Fahrzeugen etc. Man muss erst gar nicht lange nach diesen „Schätzen“ graben, dazu ein paar Beispiele: In einer 100 m2-Wohnung in Mitteleuropa sind durchschnittlich rund 7.500 kg Metalle verbaut. Jeder Mitteleuropäer verbraucht im Laufe seines Lebens 307 Tonnen Sand und Kies sowie 29 Tonnen Zement, „zwischengelagert“ als fertiger Beton. Und auf deutschen Deponien vermutet man ein Lager von 26 Mio Tonnen Eisenschrott und 850.000 Tonnen Kupfer.
In Smart Phones schlummern wiederum Kupfer, Silber, Gold sowie seltene Erden – wobei Schätzungen davon ausgehen, dass alleine in Österreich rund 10 Mio Handys unbenutzt in Schubladen verstauben. Schade um diese mehr oder weniger verborgenen Schätze – sogenanntes „Urban Mining“ will sie heben. „Urban Mining ist mehr als eine erweiterte Abfallwirtschaft. Es ist ein Denkmodell für die systematische Erfassung und Rückgewinnung der (Sekundär-)Rohstoffe, die in Gebäuden, in Infrastruktur und in Produkten lagern. Urban Mining, im Sinne von verantwortungsvollem Umgang mit Rohstoffen, beginnt daher beim Produktdesign und endet bei der Entwicklung neuer, verfeinerter Technologien zur Rückgewinnung von Rohstoffen“, heißt es auf der Plattform www.urbanmining.at.
Kein Modegag
Der kritische Beobachter kann nun allerdings einwenden: Schön und gut, aber Recycling kennen wir schon lange – was ist nun das wirklich Spektakuläre an Urban Mining? Handelt es sich vielleicht um einen Modetrend, wenn nicht sogar Marketing-Gag, der nur besonders „trendy“ klingt? Alexander Osojnik, Senior Analyst des Nachhaltigkeits-Teams der Erste Asset Management (Erste AM), glaubt das nicht: „Wir sind es schon lange gewohnt, Papier, Glas etc. zu sammeln und zu trennen. Gerade Österreich würde ich als vorbildhaft in Sachen Recycling nennen. Bahnbrechend neu ist das Konzept des Urban Mining somit nicht – ich möchte es aber als wichtige Weiterentwicklung bezeichnen.“ Es ist laut dem Experten nämlich wichtig, das Umdenken zu verfestigen, dass die Rohstoffe dieser Welt nicht unendlich verfügbar sind. „So geht es zunehmend nicht nur um das Thema Recycling allein, sondern darum, den Produktionsprozess in einen Kreislaufprozess zu verwandeln. Schon vor Produktion und Design sollte darauf geachtet werden, welche Rohstoffe verwendet und wie sie später einmal wieder gewonnen und verwertet werden können“, so Osojnik.
Der Experte bezeichnet im Gespräch mit dem Börsen-Kurier somit Urban Mining nicht als „überbordenden Trend, auf den man als Investor jetzt unbedingt gleich aufspringen muss.
Es handelt sich aber zweifellos um einen spannenden Bereich, der zukünftig für Anleger noch interessanter werden wird“. Wie könnten nun Investoren von dieser Entwicklung profitieren? Das ist nicht so einfach: Denn legt man strenge Kriterien an, so finden sich in den großen Aktienindizes nur wenige Unternehmen, die als „pure play“ in Sachen Urban Mining gelten. Aber einige interessante Titel, die zumindest in dem Bereich involviert sind, gibt es durchaus. Wie etwa Waste Management (ISIN: US94106L1098), Waste Connection (US9410531001), Asahi Holdings (JP311670 0000), Darling Ingredients (US2372661015) oder Tomra Systems (NO0005668905). Auch Mayr-Melnhof kann man – als heimischen Vertreter – ins Auge fassen. Es sind weiters große Versorger wie z. B. Suez (FR0010613471) oder Veolia ( FR0000124141) aus Frankreich zu nennen. Diese Unternehmen decken natürlich weitaus breitere Bereiche ab, aber rund ein Drittel ihrer Geschäftstätigkeit kann man im Bereich des Urban Mining ansiedeln.
Gute Langfrist-Performance
Dass sich mit der „urbanen Schatzsuche“ durchaus bare Münze verdienen lässt, beweist etwa der
US-Abfallwirtschaftsspezialist Waste Management Er legt auf Sicht eines Jahres zwar nur eine Performance von etwas mehr als 10% an den Tag, dafür glänzt er in drei Jahren mit rund 65% und in fünf Jahren mit rund 175 % plus.
Angefügt sei, dass bei Waste Management und Waste Connection noch der Großteil des Geschäfts im Bereich Abfallsammlung und Deponierung zu sehen ist. Recycling bzw. Urban-Mining-Aktivitäten machen bei beiden Unternehmen noch weniger als 10 % des Umsatzes aus. Aber der könnte ja noch wachsen, so wie der gesamte Urban-Mining-Sektor.
Autor: Mag. Harald Kolerus (redaktion@boersen-kurier.at)