Viele Argumente für europäische Aktien

Dass europäische Unternehmen infolge des sich verfestigenden Konjunkturaufschwungs immer profitabler werden, birgt Aufwärtspotenzial an den Aktienmärkten, meinen Experten.

Nach etlichen schwierigen Jahren hat der „Supertanker“ europäische Wirtschaft zuletzt wieder merklich an Fahrt aufgenommen. Dass die wirtschaftliche Erholung der Region in vollem Gange ist, und auch Länder wie Italien oder Frankreich, die bis vor kurzem noch hinterhergehinkt sind, jetzt auf Touren kommen, stimmt Experten positiv auf europäische Aktien für 2018. Der Grundtenor: Die gute Konjunktur stützt die Nachfrage, was zu stärker steigenden Unternehmensgewinnen und in weiterer Folge zu Kursanstiegen an den Börsen führen sollte.

„Internationale Investoren haben schon seit längerem europäische Aktien weniger stark gekauft als etwa US-amerikanische“, sagt Thomas Steinberger, Geschäftsführer und Mitglied der wissenschaftlichen Leitung bei Spängler IQAM Invest, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Dieses Bild könnte sich mithilfe des konjunkturellen Rückenwinds drehen. Aber auch der historisch hohe Bewertungs-Gap zwischen den USA und Europa spreche für europäische Aktien. In der Vergangenheit sei die Differenz zwischen dem durchschnittlichen KGV von S&P 500 (aktuell: 20x) und Stoxx Europe 600 (16x) bei 2 bis 2,5 gelegen, derzeit liege er hingegen nahe bei 4.

Gelassen bleiben

Optimistisch stimmt Steinberger auch, dass die Umfragen für die heuer anstehenden Parlamentswahlen in Italien für die Mitte-Rechts-Koalition gut ausschauen, für die Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo hingegen nicht. Was politische Störgeräusche betrifft, empfiehlt Jon Ingram, Head of the Dynamic Team, Europe Behavioral Finance Group bei J.P.Morgan Asset Management, Anlegern ohnehin, gelassen zu bleiben. „Wir sehen die politischen Entwicklungen in Europa als kurzfristige Ablenkungen, die man aussitzen und nicht von der Seitenlinie aus beobachten sollte.“

Für die Experten von Schroders ist auch die Tatsache, dass sich das Deflationsgespenst zurückgezogen habe, die Inflation aber im Rahmen bleibe, eine gute Nachricht für Aktienanleger. „Nach unserer Einschätzung wird die Inflation niedrig bleiben, jedoch über den extrem niedrigen Niveaus von vor ein paar Jahren liegen“, so Rory Bateman, Head of UK & European Equities. Bei niedriger Inflation wären Aktien eine gute Alternative zu niedrig rentierenden Konkurrenzanlagen wie Anleihen. Das ermögliche wiederum eine niedrige Aktienrisikoprämie.

„Eine niedrige Aktienrisikoprämie stützt wiederum eine historisch überdurchschnittliche Gesamtmarktbewertung“, so Bateman, der einräumt, dass die einzelnen Sektoren natürlich sehr unterschiedlich bewertet wären. Europäische Aktien sollten 2018 aber auch durch einen weiteren Faktor Auftrieb erhalten: sinkenden Korrelationen zwischen den Sektoren. Da in den vergangenen Jahren in erster Linie makroökonomische Faktoren wie die quantitative Lockerung die Entwicklung der Aktienmärkte bestimmt habe, sei diese hoch gewesen. „Bei niedrigeren Korrelationen dürften Mehrerträge erzielt werden, indem man die richtigen Einzeltitel wählt, statt auf allgemeine Makrothemen zu setzen“, erklärt Bateman.

„In frühen Phasen eines Zinsanhebungszyklus haben sich Aktien in der Vergangenheit gut geschlagen“, so auch Ingram. Erst ab einer gewissen Zinshöhe würden sich einige Unternehmen und Branchen schwertun. Aktuell gefallen dem Experten, der sowohl den JPMorgan Funds – Europe Dynamic Fund (LU011906 2650) als auch den JPMorgen Funds – Euroland Dynamic Fund (LU0661985969) managt, billige Largecaps wie ING oder der französische Energieversorger Engie. Als attraktiv schätzt er unter anderem aber auch Ferrari und den französischen Reisemobil-Spezialisten Trigano ein.

Wie Steinberger erklärt, erfolge die Titelselektion – egal in welcher Branche – bei der Spängler IQAM Invest auf Basis der Bewertung (KGV, Preis zu Buchwert), des Momentums (Preisentwicklung der vergangenen zwölf Monate) sowie der Qualität (stabiles Gewinnwachstum) einer Aktie. Die Folge: Die größten Sektorpositionen im Spängler IQAM Equity Europe (AT0000092 5888) sind aktuell Finanzdienstleistungen (32,5 %), Industrieunternehmen (19,70 %) sowie Grundstoffe und Verbrauchsgüter (jeweils knapp 12 %).

Mögliche Risiken

Trotz aller Euphorie sollte man sich auch mit potenziellen Risiken auseinandersetzen. Steinberger sieht in diesem Zusammenhang vor allem zwei Gefahrenquellen: Einerseits könnte die Inflation infolge des Wirtschaftswachstums stärker steigen als erwartet. „Das könnte zu einer Zinserhöhung führen, was wiederum an den Aktienmärkten eine Korrektur einleiten könnte“, so der Fachmann zum Börsen-Kurier. Andererseits könnte angesichts der hohen Bewertungen auch ein geopolitischer Event zu Gewinnmitnahmen führen, was in weiterer Folge Kurseinbrüche von 10 bis 20 % einleiten könnte. Nachsatz: „Ob dieser Rückgang nachhaltig ist, hängt von der Gewinnsituation der Unternehmen und der Konjunktur ab.“

Autor: Mag. Patrick Baldia  (redaktion@boersen-kurier.at)