Russland nach den neuerlichen US-Sanktionen

Die USA schlugen zuletzt gegenüber Russland einen schärferen Tonan und versetzten Anleger in Aufruhr. Es stellte sich die Frage, ob die Sanktionen nur ein Warnschuss sind, oder ob weitere Maßnahmen folgen und eine handfeste Krise auslösen werden.

Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat neue Wirtschaftssanktionen gegen Russland erlassen. Diese neuen Sanktionen unterscheiden sich grundlegend von denen, die ihnen vorausgegangen sind. Denn betroffen sind nicht nur Unternehmen, sondern auch deren Eigentümer sowie Regierungsbeamte – eine Vergeltungsmaßnahme für die russische Einmischung bei den Wahlen 2016. Obwohl anfänglich weitgehend ignoriert, wurde ihre Bedeutung nach dem angeblichen Chemiewaffenangriff der syrischen Regierung größer. Die Sanktionen haben einen anderen Charakter als jene, die 2014 verhängt wurden, als Russland die Krim annektierte. Damals war es US-Investoren lediglich verboten, neue Wertpapiere zu kaufen. Unter den neuen Maßnahmen ist es ihnen jetzt jedoch sogar verboten, jegliche Aktien, Anleihen oder sonstige Titel der sanktionierten Unternehmen zu halten, zu denen unter anderem einer der größten Aluminiumkonzerne der Welt gehört. Mit anderen Worten: Investoren werden gezwungen, ihre bestehenden Positionen bis zum 7. Mai zu verkaufen. Das Ergebnis ist ein starker Rückgang russischer Vermögenswerte: Der Aktienmarkt ist um 8 % eingebrochen, die Renditen auf Staatsanleihen stiegen um 50 Basispunkte und der Rubel sank um 10 %.

Grundsolide

Der Umfang der Abverkäufe ist auf die Unsicherheit der Anleger zurückzuführen, dass solche Sanktionen auf breiterer Basis zur Anwendung kommen und damit weitere Zwangsverkäufe auslösen könnten. Aber auch die starke Positionierung in lokalen Anlagewerten macht sich hier bemerkbar: Russland ist in Portfolios mit Schwellenmarktaktien und -anleihen häufig übergewichtet worden. Dies hat für erhebliche Mittelzuflüsse gesorgt. Grund hierfür waren die sich verbessernden wirtschaftlichen Fundamentaldaten des Landes. Das Wachstum hatte sich erholt, wenn auch weniger stark als erwartet angesichts der Bonitätskennzahlen, während die höheren Ölpreise der Handels- und Haushaltsbilanz zugutekamen. Auch die Devisenreserven verzeichneten einen stetigen Anstieg von rund 350 MrdUSD Anfang 2015 auf 458 MrdUSD. Anders als in der Türkei sind der Staatshaushalt und die Zahlungsbilanz von Russland also grundsolide.

Schwierig für Investoren

Das konfrontiert Investoren mit einer schwierigen Abwägung. Eine Ausweitung der Sanktionen hätte zweifellos weitere negative Auswirkungen auf die russischen Vermögenspreise; ohne sie wären die makroökonomischen Auswirkungen jedoch wahrscheinlich minimal, so dass die Bewertungen äußerst billig erscheinen. Ein unberechenbares Weißes Haus macht es für Investoren noch komplexer als üblich, die Situation und Position entsprechend einzuschätzen.

Wichtig zu betonen ist jedoch, dass Staatsanleihen nicht direkt von den Sanktionen betroffen sind. Schätzungen zufolge halten ausländische Anleger ein Drittel des russischen Anleihenmarktes. Dies entspricht einem Wert von 40 MrdUSD. Aktuell sieht es so aus, als ob Anleger eher US-Dollar gegen Rubel kaufen, um das Währungsrisiko in Verbindung mit ihren Anleihepositionen zu neutralisieren, als zu versuchen, Anleihen unter angespannten Marktbedingungen zu verkaufen. Dies erklärt auch, warum der Rubel weitaus stärker unter den Sanktionen gelitten hat als lokale Anleihen.

Die russischen Behörden haben auf die US-Sanktionen mit der Aussetzung von routinemäßigen US-Dollar-Käufen und der Verpfändung von Liquidität an lokale Marktteilnehmer reagiert. Im nächsten Schritt könnte die Zentralbank ihren Zinssenkungszyklus verkürzen. Allerdings steht eine Intervention im Devisenmarkt wohl nicht an, solange der Rubel nicht erheblich vom derzeitigen Stand abgewertet wird. Da die Krise politischer Natur ist, lässt sich nur schwer vorhersehen, ob Käufe oder Verkäufe russischer Anlagen der richtige Weg sind, und ob die technischen Risiken eine potenzielle Bewertungslücke ausgleichen können. Eine möglichst sichere Position ist daher derzeit ratsam – zumindest so lange, bis wir wieder klarer sehen können.

Autor: Gastkommentar von Paul McNamara, Investment Director bei GAM