Die Profiteure der Ölpreis-Rallye

Ein schwelendes, krisenhaftes Szenario im Nahen Osten kommt der US-Schieferölindustrie klar entgegen. Der Ölpreisanstieg im Zuge der Iran-Sanktionen wirkt dazu als zynisches Geschenk.

Für die Schieferöl-Lobby der Vereinigten Staaten hat der US-Präsident eine Ideal-Konstellation geschaffen. Das Reaktionsmuster an den Ölmärkten ist aufgrund der aufgeheizten Stimmung wegen der neuerlichen US-Sanktionen gegenüber dem Iran klar erkennbar. Im Vorfeld der  Sanktionsentscheidung gab die Brent-Notiz kurzfristig um bis zu 5 % nach, markierte allerdings
nach der Verkündung mit 78 USD/Barrel umgehend einen neuen Höchststand seit 2014. Der nach wie vor wichtigste Rohstoff zieht unter deutlichen Kursschwankungen derzeit stetig an und beförderte den Preis des Schmier- und Brennstoffes seit März bereits gut 20 % hinauf.

Rasche Anpassung triumphiert

Die persischen Ölexporte zogen seit der Embargo-Lockerung 2015 um 70 % auf 2,5 Mio Barrels/Tag an – ein Volumen, das dem Markt nun offenbar nicht mehr zugänglich sein wird. Profiteure dieser ständig geschürten Spannungen im Nahen Osten sind vorwiegend US- und kanadische Schieferölproduzenten wie EOG Resources (ISIN: US26875P1012), Devon Energy (US25179M1036) oder Pioneer National Resources (US72 37871071). Diesen ist es möglich, die Förderung rasch flexibel hoch- und herunterzufahren. Marktanteile gewinnen die Pioniere der umstrittenen Fracking-Industrie damit sowohl bei nachgebenden als auch bei steigenden Ölnotizen. Diese Anpassungsgeschwindigkeit stellt sich im Gegensatz zu herkömmlichen Produktionsverfahren global immer klarer als Vorteil heraus. Das Fördervolumen der OPEC ist vom Gesamtangebot auf die Hälfte gesunken und die Mitgliedsländer sind gerade darauf bedacht, ein dauerhaftes Überangebot abzuwenden.

Die einsame Rallye

Bei Betrachtung der Branchengewinner wird die Diskrepanz auf den Märkten eindeutig. Die Energie/Versorgerbranche entfernte sich seit dem 19. März mit Kursavancen von +10 % vom Gesamtmarkt der Dividendentitel. Es klafft hier eine extreme Lücke. Alle anderen Sektoren, von der IT (-1,5 %) über Vertreter der Industrie, des Health Care-Sektors, der Telekom und Verbrauchsgütern bis zur Finanzsparte (-4,1 %) waren unter Abgabedruck.

Kursanstiege

Derzeit schwimmen im Zuge der Geschehnisse die Kursnotizen der etablierten, europäischen Ölgesellschaften auf der Welle gehörig mit. Der STOXX Europe 600 Oil & Gas-Index (EU0009658780) übertrifft in dieser Hinsicht sämtliche anderen Segmente um Längen. Insbesondere Statoil (NO0010 096985) markierte in Oslo einen neuen historischen Höchststand, der von einem bisher nicht gesehenen Kaufschub angefacht wurde. Gefolgt von der italienischen ENI (IT0003132476), die ebenso einen überproportionalen Kurstreibstoff aufwies. Dem stand das Repsol-Papier (ES0173516115) nur wenig nach. Zudem konnten OMV-Investoren vergangene Woche mit Freude feststellen, Gewinner der Entwicklung zu sein. Nach bescheidenen Jahren baute sich zuletzt auch bei der bereits hoch bewerteten Schoeller Bleckmann wiederum Anlegerfantasie auf. Aber selbst die britische Tullow-Oil (GB0001500809), die für Anleger bis 2015 eine „Geldvernichtungsmaschine“ gewesen war, gibt derzeit wieder ein kräftiges Lebenszeichen von sich. Ein Blick auf die 10-Jahres-Grafik der Ölpreise zeigt jedoch ganz klar, wie rasch der Trend wieder umschlagen kann. Es gibt zu einem Langfrist-Einstieg nicht den geringsten Hinweis, dass Öl ein knappes Gut werden könnte.

Autor: Roman Steinbauer  (redaktion@boersen-kurier.at)