Schwächerer Franken spricht für Schweizer Aktien

Die deutliche Abwertung des Schweizer Franken stimmt Experten bullish für Schweizer Aktien. Vor allem unter den Industriewerten machen sie interessante Chancen aus.

Der Schweizer Franken hat zuletzt gegenüber dem Euro unerwartet stark abgewertet. Kurz vor Redaktionsschluss erhielt man für einen Euro etwas mehr als 1,17 Franken. Vor einem Jahr waren es noch weniger als 1,10 Schweizer Franken. Währungsexperten sehen dahinter aber weniger eine Schwäche des Schweizer Franken, sondern eine Stärke des Euro, der unter anderem von der guten Konjunktur in der Eurozone, der Erwartung einer weniger lockeren Geldpolitik sowie der wieder stärkeren Achse zwischen Deutschland und Frankreich profitiert.

Für Fachleute stellt die Entwicklung der bekanntlich als sicherer Hafen gehandelten Währung jedenfalls einen guten Grund dar, sich mit Schweizer Aktien zu beschäftigen. „Dass der Schweizer Franken gegenüber dem Euro jetzt wieder schwächer ist, wird sich positiv auf die Profitabilität und die Margen der Unternehmen auswirken“, sagt Michel Keusch, Portfoliomanager bei der Schweizer Investmentboutique Bellevue Asset Management, gegenüber dem Börsen-Kurier. Nachsatz: „Das wird vom Konsens aber unterschätzt.“

Wie Keusch erklärt, hat die Tatsache, dass der Schweizer Franken in den letzten Jahrzehnten immer stark war, die – aufgrund der geringen Landesgröße traditionell international ausgerichteten – Unternehmen zu einem „permanenten Fitnesskurs“ gezwungen, um erfolgreich zu sein. „Wir haben heuer viele Unternehmen getroffen, aber so fit wie sie derzeit sind, waren sie schon seit 20 Jahren nicht mehr“, so Keusch. Die Bilanzen wären sehr solide, die Kostenbasis sehr gering und auch die Schulden niedrig. Dazu kommen volle Auftragsbücher. „Es gibt keinen Grund negativ eingestellt zu sein“, so Keusch.

Ein weiterer Grund, der Schweizer Aktien für den Bellevue-Experten besonders interessant macht: Die Qualität der Researchtätigkeit werde immer schlechter, was auf MiFID II zurückzuführen sei. Infolgedessen müssten weniger Analysten mehr Unternehmen covern. Obwohl die Assetklasse eigentlich teuer ausschaue – die durchschnittlichen Bewertungen bewegen sich bei einem KGV von 20 bis 22 – glaube man, dass die Konsensschätzung zu niedrig wären – vor allem bei Small- und Midcaps. „Wir haben eine eigene Researchabteilung und sind der Meinung, dass viele Unternehmen viel günstiger sind (KGV 18) als sie ausschauen“, so Keusch.

Auch Wolfgang Habermayer, CEO der Merito Financial Solutions GmbH, ist bullish auf Schweizer Aktien eingestellt. Vor allem Industriewerte haben es ihm – aufgrund der sich durch die Währungsentwicklung ergebenden Exportchancen – angetan. Während sich Habermayer als „großer Anhänger einer Indexorientierung“ bezeichnet, hat Keusch durchaus auch Einzeltitel auf der Rechnung. Dazu zählen Industriewerte wie VAT Group (führender Anbieter von Vakuumventilen, Anm.), Komax Holding (Hersteller von Kabelverarbeitungssystemen und Montageautomaten), Bobst Group (Hersteller von Maschinen und Anlagen für die Verpackungsindustrie) und Swatch Group.

Aber auch andere Schweizer Aktien sind für Experten eine Überlegung wert. Im Largecap-Bereich gehören dazu unter anderem der Logistikkonzern Kühne + Nagel und der Warenprüfkonzern SGS. Interessante Small- und Midcaps wären wiederum Logitech und die Mediengruppe Tamedia. Wenn der Schweizer Franken in den kommenden Wochen und Monaten nicht einen starken Anstieg erlebt – für Experten neben einer starken externen Korrektur und geopolitischen Entwicklungen das größte Risiko für die Assetklasse -, könnten Anlegern schöne Kursgewinne winken.

Autor: Patrick Baldia (redaktion@boersen-kurier.at)