Die „Kipferl-Affäre

Wie jedes Jahr am ersten Mittwoch im Juli lud der Stahlkonzern ins Design Center nach Linz zu seiner Hauptversammlung.

Und wie jedes Jahr erschienen mehr als 3.000 Anteilseigner, die teilweise auch mit Bussen aus Wien gebracht worden waren.

Und so konnte CEO Wolfgang Eder über „ein sehr erfreuliches Jahr“ berichten, nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Lemppenau sehr routiniert die Formalien und Präambeln hinter sich gebracht hatte. Wie immer begann er seine Präsentation mit einem Überblick über die Weltwirtschaft, die er durchaus positiv darstellte. Lediglich in den USA sieht er ein Risiko durch die unberechenbare Politik.

Mit dem abermaligen Rekordergebnis – Umsatz um 14,2 % auf 12,9 Mrd Euro, EBIT um 43,3 auf 1,18 Mrd Euro und Ergebnis um 55,2 % auf knapp 818 Mio Euro gesteigert – zeigte sich Eder natürlich sehr zufrieden.

Aber auch die einzelnen Divisionen machten Freude: „2017/18 war ein starkes Stahljahr“, fasste Eder das All-Time-High beim EBITDA  der Division „Steel“ zusammen. Als besonderes Highlight bezeichnete er auch den Baustart der ersten Pilotanlage für die umweltfreundliche Produktion von Wasserstoff (der Börsen-Kurier berichtete in der Ausgabe 16) sowie die Inbetriebnahme der neuen Stranggussanlage.

Bei der Division High Performance Metals konnte das Ergebnis deutlich gesteigert werden und die Vorbereitungen für das neue, voll digitalisierte  Edelstahlwerk in Kapfenberg laufen auf vollen Touren. Uneinheitlich lief das Geschäft bei der Metal Engineering Division, wo die Nachfrage bei der Bahninfrastruktur durchwachsen war, während es bei Öl und Gas im Jahresverlauf zu einer starken Nachfragesteigerung kam.

Auch die Metal Forming Division konnte Umsatz und Ergebnis kontinuierlich steigern und eröffnete in Deutschland eine Serienanlage für E-Motorkomponenten.

Fragen über Fragen

Nach gut einer Stunde begann dann die Fragerunde, in der Aktionärsvertreter Wilhelm Rasinger sein Lob nicht zurückhielt und für das laufende Geschäftsjahr die Hoffnung äußerte, dass es wieder zu einem so guten Ergebnis kommen werde – „schließlich will ein scheidender CEO seine Tätigkeit mit einem Rekord beenden“, meinte er. Hier musste Eder seine Erwartungen bremsen, weil voriges Jahr die Ausgangslage besser gewesen sei. Auf die Frage, ob der dräuende 12-Stunden-Tag Auswirkungen auf die voest hätte, konnte Eder beruhigen: „Wir haben laufende Vereinbarungen, es gibt aber Grenzfälle“. „Und man darf nicht vergessen, dass in einem Unternehmen wie unserem nicht nur normaler Drei-Schichtbetrieb herrscht“, ergänzte Vorstand Herbert Eibensteiner. „Wir haben teilweise Vier- oder Fünfschichtmodelle, das ist ganz unterschiedlich.“

Die Lacher auf seiner Seite hatte der Vorstand dann, als Rasinger kritisierte, dass die Aktienkultur bei Vorstand und Aufsichtsrat nicht „besonders gut“ sei und man keine Aktien besitze. „Also ich halte 16.000 Aktien“, erklärte Eder. Und CFO Robert Ottel sprang ihm zur Seite: „Ich bin heute mit 24.000 Aktien angemeldet“, führte er aus. „Wenn Ihnen das wenig erscheint, gut, aber mir reicht ein Exposure von knapp 1 Mio Euro durchaus“, sagte er.

Und dann ging es weiter mit den Wortmeldungen der Aktionäre, teilweise ernst gemeint, teilweise auch nicht. So stieß die Anregung eines Aktionärs, einen kleinen Hochofen hochzufahren, um damit Stahl für die Linzer Donaubrücken zu erzeugen, auf wenig Gegenliebe. „Das ist doch nur Baustahl, so was machen wir doch gar nicht“, gab sich CEO Eder gar entrüstet.

Das Ansinnen eines anderen Anteilseigners, doch in Afrika eine „grüne“ Wasserstoffanlage zu bauen, fand Eder „spannend, aber das politische Umfeld ist zu unsicher“.

Kipferl und Bustouristen

Den Vogel schoss aber ein aus Wien angereister Aktionär ab, der sich bitter beschwerte, zum Frühstück kein Kipferl bekommen zu haben. Die Replik eines Linzer Aktionärs darauf, dies sei so, seit die „Bustouristen aus Wien“ immer die Kipferln eingepackt und mitgenommen hätten, „und dann hat die voestalpine zu Recht gesagt, gut, dann gibt’s halt nix mehr“, bekam der besagte Herr aber dann gar nicht mehr mit, weil er sich schon auf dem Weg zum Mittagsbuffet befand.

Apropos: Anders als vor zwei Jahren gab es auch nach Ende der Veranstaltung noch genügend Verpflegung für jene, die bis zum Schluss durchgehalten hatten.

Die abschließenden Abstimmungen endeten mit fast ostblockartigen Mehrheiten bei den üblichen Enthaltungen institutioneller Investoren.

Autor: Cornelius Markus Pirch (redaktion@boersen-kurier.at)