„Kapitalmarktfinanzierung wird zunehmen“

Der vormalige CEO der damals erfolgreich börsenotierten Böhler Uddeholm AG, Claus J. Raidl, tritt auch als OeNB-Präsident für einen attraktiven Heimmarkt ein.

Die Initiative des jetzigen Finanzministers Hartwig Löger, dass Klein- und Mittelbetriebe (KMU) leichter an die Wiener Börse kommen können, sieht der Austro-Finanzmarkthüter und Kapitalmarktkenner Claus Raidl positiv. Sei es die angekündigte Zulassung von Inhaberaktien am Dritten Markt, sei es die Aussicht auf niedrigere IPO-Kosten für KMU. Ein börslicher „Heimmarkt“ sei gerade für den unternehmerischen Mittelstand wichtig: Denn in Österreich sei die Aufmerksamkeit höher als bei einem kleinen Wert an den Börsen Frankfurt oder Zürich. Bei einer Notierung in der Schweiz käme auch noch das Währungsrisiko dazu. Und am Kapitalmarkt Frankfurt seien sogar große Austrofirmen klein. Raidl sieht auch Bestrebungen positiv, die die Liquidität an der Wiener Börse steigern können. So wie in der Schweiz brauche es mehr große private Pensionsfonds und Wealth Manager. Wenn nun die zweite und dritte Pensionssäule mittels Pensionskassen (wieder)belebt werden soll, sei das daher zu unterstützen.

Denn Raidl wagt eine Prognose: „Was sein wird: Eigenkapitalfinanzierung wird zunehmen, Kreditfinanzierung wird tendenziell zurückgehen. Unternehmen werden sich mehr über den Kapitalmarkt finanzieren.“ Akquisitionen und große Investitionen werden mit Eigenkapital finanziert werden, „denn da tickt nicht die Zinsuhr“. Dafür brauche der heimische Kapitalmarkt Engagement von Politik und Banken für mehr Popularität in der Bevölkerung. Raidl weiß aus Erfahrung: „Mit den großen Privatisierungen in den Neunzigerjahren ist auch der Kapitalmarkt populär geworden.“ Im Gegensatz zu vergleichbaren Ländern fehle bei uns aber eine „Kapitalmarkt-Tradition“ und „Aktienkultur“. Dazu sei der Kapitalmarkt zu oft „verteufelt“ worden. Und das, obwohl Aktien im langfristigen Vergleich der Geldanlageformen doch „sehr gut performen“.

Das Umfeld sei ja günstig: Aktien zeigen schöne Dividendenrenditen und Kursentwicklungen, die, so Raidl, von der Geldmenge, dem Realitätenmarkt und der realwirtschaftlichen Konjunktur positiv beeinflusst würden. Aktien seien als langfristige Anlageform zu sehen, wo man sich von kurzfristigen Entwicklungen nicht zu sehr beeinflussen lassen sollte.

Was die steuerliche Behandlung des Austro-Aktionärstums betrifft, so hält Raidl nichts davon, gebundenes Vermögen zu besteuern, hält also eine allgemeine Vermögensteuer für falsch. Besteuerung bestenfalls erst, „wenn es in der Kassa klingelt“, also nur, wenn ein allfälliger Wertzuwachs entsteht und dieser auch tatsächlich „realisiert“ wird. Raidl hegt auch die Hoffnung, dass, wenn man die bestehende Wertpapier-KESt von 27,5 % wieder senken würde (sie war ja früher bei 25 %, wie für risikoarme Anlageformen heute noch), das den Kapitalmarkt beleben könnte.

Was die europäische Geldmarktentwicklung betrifft, so ist der OeNB-Präsident stolz darauf, dass Gouverneur Ewald Nowotny „Schrittmacher“ gewesen sei, dass das Anleihen-Aufkaufprogramm der EZB heruntergefahren werde. Das sei in der aktuellen Situation „goldrichtig“. Auch müsse man die amerikanische Entwicklung, also die Schritte der Fed, genau beobachten. „Auf mittlere Sicht“ werde es wohl auch in der EU Zinsschritte geben. Die OeNB empfehle daher, von variabel verzinsten Finanzierungen auf fix- bzw. festverzinsliche Kredite zu gehen, etwa für den Wohnbau. Anleihenzinsen werden mit der allgemeinen Zinsentwicklung auch in die Höhe gehen. Sinkende Kurse von Altanleihen seien nur dann ein (Bewertungs-)Problem, wenn man sie nicht bis zum Laufzeitende halte.

Das Gespräch führte Mag. Manfred Kainz (redaktion@boersen-kurier.at)