Es ist möglich: Mehr Rendite, weniger Risiko
Aktien, die nicht so stark schwanken wie der Gesamtmarkt, liefern vor allem in schwierigen Börsenphasen eine bessere Performance. Mit ihnen lässt sich ein Portfolio stabilisieren.
Weniger Risiko und mehr Rendite – was wie der Wunschtraum jedes Anlegers klingt, ist mit der sogenannten „Low-Beta-Strategie“ tatsächlich möglich. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als der Ansatz, in Aktien zu investieren, die weniger oder kaum von der allgemeinen Börsenentwicklung abhängig sind. „Vereinfacht ausgedrückt, ist der Beta-Faktor ein Gradmesser, der angibt, wie stark eine Aktie im Vergleich zum Gesamtmarkt schwankt“, sagt Bernd Kiegler, Fondsmanager im Team „Aktien entwickelte Märkte“ bei der Raiffeisen KAG, im Gespräch mit dem Börsen-Kurier.
Geringes Beta, weniger Risiko
Die Rechnung ist relativ einfach: Bei einem Wert von 1,0 schwankt eine Aktie genauso stark wie der Gesamtmarkt. Liegt der Beta-Faktor unter 1,0, deutet dies auf eine geringere Schwankung hin. Bei einem Wert von mehr als 1,0 schwankt die Aktie stärker als der Durchschnitt. „Ein negatives Beta bedeutet wiederum, dass sich die Rendite eines Papiers gegenläufig zum Gesamtmarkt entwickelt“, so Kiegler. Zu den Sektoren mit einem Beta von 0,8 zählt er Versorger, Einzelhandel, Telekommunikation,
Healthcare, Öl und Gas, Immobilien, Haushaltsartikel sowie Getränke und Nahrungsmittel. Als Beispiele für Unternehmen, die dort tätig sind, nennt Kiegler unter anderem Roche, Ahold Delhaize (Einzelhandel, Anm.), Novartis, Hennes & Mauritz, Equinor (Öl und Gas), Swisscom (Telekommunikation), Scottish & Southern Energy (Versorger), Carrefour sowie Telia Company (Telekom).
Weisen Low-Beta-Aktien wirklich eine bessere Performance auf als der Gesamtmarkt? Für Kiegler ist das stark vom jeweiligen Betrachtungszeitraum abhängig. In den vergangenen drei Jahren habe sich sowohl in den USA als auch in Europa der breite Markt besser entwickelt als Low-Beta-Papiere. Dasselbe gelte auch für das vergangene Jahrzehnt, wobei die Performanceunterschiede geringer wären. In den vergangenen 20 Jahren habe sich wiederum – zumindest in den USA – die Low-Beta-Strategie deutlich besser geschlagen. „In dieser Phase, in die Finanzkrise und Dotcom-Krise fallen, waren Low-Beta-Aktien die klar bessere Wahl“, so Kiegler.
„Aktien mit einer geringen Volatilität sind zwar mit einer gewissen Risikokomponente verbunden, mittel- und langfristig sollten sie aber zusätzliche Erträge bringen“, sagt auch Josef Zechner, WU-Professor für Finance and Investments und Mitglied der Wissenschaftlichen Leitung bei Spängler IQAM. In einer 2017 erschienen Studie („Low Risk Anamolies?“) hat der Experte aufgezeigt, dass auch mit Low-Beta-Aktien das Risiko von Kursverlusten verbunden ist – vor allem dann, wenn der Gesamtmarkt stark einbricht. Allerdings sollten die Kurseinbrüche in der Regel geringer ausfallen als bei stark schwankenden Aktien.
Niedrige Volatilität Teilaspekt
Wie Kiegler festhält, sind Low-Beta-Aktien bzw. -Strategien vor allem seit der Finanzkrise besonders beliebt. „Deshalb sind die Bewertungen dieser Unternehmen mittlerweile auch ziemlich ambitioniert“, sagt er. Mit einem KGV von 18,7x sei etwa der Stoxx Europe Low Beta um 20 % teurer als der breite Markt (KGV 15,6x). Für den Experten erfüllt ein gutes Aktieninvestment vor allem zwei Kriterien: Die Bewertung der Aktie ist tief und es zeigen sich klare Anzeichen einer fundamentalen Verbesserung im Unternehmen. „Niedrige Volatilität ist eben nur ein Teilaspekt eines Investments“, meint er. In die gleiche Kerbe schlägt auch Zechner. „Die Low-Beta-Strategie macht zwar Sinn, als alleiniger Ansatz allerdings nicht.“
Autor: Mag. Patrick Baldia (redaktion@boersen-kurier.at)