Nicht Glück, die richtige Strategie entscheidet

Der Jahreswechsel ist ein idealer Zeitpunkt, um die eigene Finanzplanung einer Überprüfung zu unterziehen. Wir haben bei Experten Karl Freidl, dem Leiter des Vermögensmanagements im Bankhaus Krentschker, nachgefragt, was er Anlegern aktuell raten würde.

Börsen-Kurier: Was sollte ein Anleger unbedingt noch vor Jahresende tun?

Karl Freidl: Das Jahresende ist eine gute Zeit für ein „Update“ der Finanzplanung. Man sollte Veranlagungsziele generell schriftlich formulieren und überprüfen – am besten natürlich mit der Familie. Denn letztlich geht es auch darum, Vermögen an die nächste Generation weiterzugeben – und die „finanzielle Bildung“ spielt dabei eine wichtige Rolle.

Im Grunde agiert man wie ein Unternehmen – von der Inventur bis hin zum Reporting und einer allfälligen Kurskorrektur. Auch wenn das ein wenig bürokratisch klingt – es ist der effektivste Weg, seine Ziele zu erreichen! Ich kann nur jedem Anleger eine grundlegende Vermögensbilanz empfehlen (sprich wie hoch ist der Barbestand, der Anleihen- und der Aktienteil und ev. andere Vermögenswerte, wie Immobilien usw.), sowie eine regelmäßige Überprüfung, ob die Veranlagungsziele mit der Zusammensetzung des Portfolios übereinstimmen. Hier steht der persönliche Kundenberater natürlich als ständiger Begleiter zur Seite.

Erst viel weiter hinten steht bei den Prioritäten die Frage, ob ich die richtigen Aktien ausgewählt habe, ob ich Gewinn mitnehmen soll oder noch schnell in diese oder jene Branche investiere usw. – vieles davon ist reine Spekulation. Es geht aber nicht um Glück, sondern um die richtige Strategie. Jetzt ist der beste Zeitpunkt, diese zu überprüfen.

Börsen-Kurier: Apropos jetziger Zeitpunkt: Die USA erhöhen die Zinsen weiter – wie lange kann Europa bei Niedrigzinsen bleiben?

Freidl: Die EZB fährt mit Jahresende ihre Anleihen-Kaufprogramme zurück – wird aber nach unserer Einschätzung erst im 4. Quartal 2019 beginnen, auf der Zinsseite tätig zu werden. Bis es hier jedoch zu einem spürbaren Effekt für Sparer kommt, da reden wir frühestens von Ende 2020, wenn nicht noch länger. Bis Sparbücher wieder deutlich über der Inflationsrate verzinst sind, werden jedenfalls noch viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergehen.

Börsen-Kurier: Und was bedeutet die aktuelle Zinslandschaft für Bankkunden und Anleger? Gibt es Handlungsbedarf?

Freidl: Der Handlungsbedarf ist nicht „aktuell“, sondern besteht schon seit langem! Sollte die Inflation weiter steigen, so ist anzunehmen, dass sich Sachwerte auch weiter verteuern werden. Anstatt auf den nächsten Crash bzw. Einstiegszeitpunkt zu warten, könnte man sich ebenso die Frage stellen, ob es überhaupt die Aktienkurse und Immobilienpreise sind, die steigen, oder ob nicht das Geld weniger wert geworden ist! Genau das sieht man, wenn man seine Veranlagungsziele klar formuliert und laufend überprüft. Dann kommen Sie nicht in die Situation, dass Sie immer größere Barmittel vor sich her schieben, die schlussendlich immer weniger wert werden.

Börsen-Kurier: Auch geopolitische Turbulenzen spielen eine ganz große Rolle. Kann man als Privatanleger ein Portfolio überhaupt dagegen absichern?

Freidl: Die Frage ist eher, ob man es überhaupt versuchen soll. Ein alter Spruch heißt „politische Börsen haben kurze Beine“: Anlageentscheidungen auf kurzfristigen politischen Strömungen aufzubauen halten wir für keine sinnvolle Strategie. Wollen wir wirklich nach jedem Tweet des US-Präsidenten unser Portfolio umschichten? Nein. Wir setzen auf eine langfristige Strategie, die wir diszipliniert einhalten.

Börsen-Kurier: Kommen wir zu einem vorsichtigen Ausblick. Wie wird aus Ihrer Sicht das Jahr 2019 werden?

Freidl: Das Jahr 2019 steht im Banne der US-Zinserhöhungen und dem Ende der Ära Draghi! Wie wird die Notenbankpolitik danach aussehen, und wie wird sich das auf den Aktienmarkt auswirken? Die grundlegende Frage ist, ob der 30-jährige Trend sinkender Zinsen nicht überhaupt zu Ende ist. Wer Kapital bei aktuell 2 % Inflation nachhaltig erhalten möchte, muss Änderungen in seiner Vermögensaufteilung vornehmen, wenn der Ertragsanteil bisher vorwiegend von Anleihen gekommen ist, so wie das in den vergangenen 18 Jahren der Fall gewesen ist.

Inwieweit man die deutlich höhere Volatilität von höheren Aktienanteilen akzeptieren kann, hängt dabei sehr stark vom Anlagehorizont und den persönlichen emotionalen Befindlichkeiten ab. Nur wer bereit ist diese Schwankungen auch durchzuhalten wird am Ende erfolgreich sein bei der Veranlagung. Wer das nicht möchte wird sich damit auseinandersetzen müssen, dass die Kaufkraft seines Geldes zurückgeht – wie das Eis auf unseren Gletschern – langsam aber sicher. Wir halten es grundsätzlich mit Warren Buffet – die besten Jahre stehen uns erst bevor.

Das Interview führte Marius Perger
Foto: Bankhaus Krentschker