Zinshausbesitzer fühlen sich diskriminiert
Haftungsklage gegen die Republik: Wiener Zinshausbesitzer fragwürdig im Stich gelassen?
Brigitta Schwarzer. Der Obmann Kaspar Erath wählte beim Pressegespräch am 13. Dezember 2018 klare Worte: „Die Wiener Zinshausbesitzer zweifeln langsam an den Grundfesten des Rechtsstaats. In hunderten Mietrechtsverfahren hat es die Richterschaft nicht für notwendig erachtet, im Hinblick auf die offensichtliche Diskriminierung durch den Wiener Richtwert den Verfassungsgerichtshof anzurufen.“
Dahinter steckt der sogenannte Wiener Richtwert. Es ist dies eine per Bundesgesetz festgelegte Obergrenze für Mietpreise in Altbauten mit einem Baujahr vor 1945.
Wien hat mit rund 15.000 privaten Gründerzeithäusern weltweit den nahezu größten Althausbestand aus einer Epoche.
„220.000 Altbauwohnungen gerieten damit über den Wiener Richtwert in die Knochenmühle der Politik“, konstatiert Erath.
Unter dem sozialdemokratischen Kanzler Franz Vranitzky wurden bundesländerweise unterschiedlich hohe Richtwerte im Richtwertgesetz 1993 verankert, durch den Nationalrat beschlossen und vom Bundespräsidenten als verfassungskonform unterzeichnet.
Der Wiener Richtwert steht aktuell bei 5,58 Euro Nettomiete pro Quadratmeter, in der Steiermark hingegen bei 7,70 Euro. Dazu kommt bei befristeten Mieten ein Abschlag von 25 %, sodass sich die Nettomiete/Quadratmeter in Wien dann auf 4,19 Euro beläuft. Der Unterschied der Mieteinnahmen zwischen den Wiener Zinshausbesitzern und ihren Kollegen in der Steiermark beträgt somit rund 40 %.
Während bei den Lohn-, Material- und Baukosten bundesländerweit keine gravierenden Unterschiede bestehen, sind die Grundkosten in Wien seit jeher die höchsten in Österreich. Die niedrigsten Grundstückspreise in Wien sind vergleichbar mit den teuersten in der Steiermark, bei den besseren und sehr guten Lagen in Wien kommt es gegenüber der Steiermark zu einem Preisunterschied um bis zu 800 %.
„Wie kann man in einem Rechtsstaat wie Österreich die Wiener Hauseigentümer zu einem solchen Sonderopfer zwingen?“ beklagt Erath.
Der Verein zur Revitalisierung und architektonischen Aufwertung der Wiener Gründerzeithäuser betont daher schon seit Jahren: „Eine Einnahmenseinbuße von rund 40 % ist schreiendes Unrecht, signalisiert Willkür und legt den Verdacht der Verfassungswidrigkeit nahe.“ Erath reklamiert zu den bisherigen Ergebnissen der Höchstrichter, dass der mehrfach vorgebrachte Diskriminierungstatbestand vom Verfassungsgerichtshof nur formell, jedoch noch nie inhaltlich beurteilt wurde.
Die den Wiener Zinshausbesitzern zugefügte Schadenshöhe ist beispiellos in der 2. Republik, es geht seit 1994 um eine Summe von rund 5 Mrd Euro.
Dieses Geld fehlt bei Renovierungen, auch deshalb haben die Verfallserscheinungen der Gründerzeithäuser sowie die Abrisszahlen ein erschreckendes Ausmaß erreicht.
Der VfGH hat bisherige Beschwerden zum Wiener Richtwert, zum Lagezuschlagsverbot in Gründerzeitvierteln sowie zum pauschalierten Befristungsabschlag abgewiesen und mit dem großen Spielraum des Gesetzgebers argumentiert.
Seine Logik: Leistbarer Wohnraum muss auch Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen zugänglich sein.
Erath protestiert: „Unrecht darf niemals zur politischen Manövriermasse werden. Sozialwohnungen sind gut und recht, das ist aber allein die Aufgabe des Staates, die er aus unseren Steuermitteln zu bestreiten hat.“
Bei den Entscheidungen des VfGH sieht der Verein daher eine Schieflage und hat im Jänner 2018 den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) angerufen. Leider ist kurzfristig keine Entscheidung zu erwarten.
Auch um Verjährungsansprüche hintanzuhalten, entschied man sich nun für eine Haftungsklage gegen die Republik. Die Klage wird zurzeit von Rechtsanwalt Wolfram Proksch vorbereitet.
Beim Pressegespräch präsentierte Erath neben dem Forderungskatalog um die Haftungsklage auch ein neu durchdachtes Mietrechts- und Sanierungskonzept für Wien.
Es umfasst gut 100.000 neue Wohnungen über Dachausbauten und Stockwerkssanierungen im Altbestand der rund 20.000 privaten und gemeindeeigenen Zinshäuser, für die kein neuer Quadratmeter Bauland benötigt würde. Erath sieht im konkreten Plan greifbare Vorteile für die Mieter, er hat aber auch Leistungsanreize für die Eigentümer generiert. Das ambitionierte Ziel ist vorgegeben, Wien könnte mit einem prognostizierten Bauvolumen von mehr als 20 MrdE den Wohnbedarf der Großstadt vollständig bedienen und damit den Mietern mit einem größeren Angebot und Preisvorteilen eine wirkliche Hilfe bieten.
Die Leistungsvorgaben im neuen Konzept beinhalten auch Fassadenerneuerungen im Bereich der Gründerzeithäuser, wodurch das Stadtbild bereits innerhalb einer Dekade massiv profitieren würde.
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