„Kunst ist mehr als nur ein Investment“

Der Börsen-Kurier im Gespräch mit dem Auktionator Otto Hans Ressler.

Lea Schweinegger. Der Auktionator Otto Hans Ressler zählt zu den gefragtesten Kunstexperten in Österreich und darüber hinaus. Ressler ist geschäftsführender Gesellschafter der „Ressler Kunst Auktionen GmbH“. Das Auktionshaus ist auf zeitgenössische und moderne Kunst, vorwiegend österreichischer Provenienz, spezialisiert. Zwei Mal im Jahr, im Feber und im September, finden im Auktionshaus Versteigerungen statt. Dieses befindet sich im Kunst- und Kulturzentrum der ehemaligen Ankerbrotfabrik im 10. Wiener Gemeindebezirk.

Der Experte ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Kunst. Bevor der Auktionator, ein gebürtiger Steirer, mit Partnern das eigene Auktionshaus gründete, leitete er das Grazer Dorotheum, danach die Kunstabteilung des Wiener Dorotheums und als geschäftsführender Gesellschafter das Auktionshaus im Kinsky. Seine zweite Liebe gehört der Schriftstellerei, mit der er in den 70er Jahren begann. Zwölf Bücher, darunter Fachbücher und Romane, sind von ihm bereits erschienen. Das letzte Buch „Der Mikl“, ein Roman über das Leben des Künstlers Josef Mikl, erschien 2015. Nun folgt in Kürze ein weiteres Werk mit dem Titel „Die Verleumdung“. Es sollte noch im Feber oder Anfang März erscheinen.

Börsen-Kurier: In den klassischen Mix der Anlageformen wie Aktien, Immobilien und Gold mischt sich verstärkt auch die Anlage in Kunstobjekte – sozusagen als gute Beimischung. Selbstverständlich aber nur qualitativ hochwertige, wobei die Namen der Protagonisten eine wichtige Rolle spielen. Ist Kunst eine Geldanlage, Herr Ressler?

Otto Hans Ressler: Kunst ist eine Geldanlage, das lässt sich nicht leugnen. Im höchsten Preissegment ist mein Eindruck aber, dass die Käufer von Kunstwerken von der Kunst so weit entfernt sind wie die Finanzspekulanten von der Realwirtschaft. Da wird längst nur mehr mit fiktiven Werten gehandelt wird, ohne Bezug zur Realität. Die Werke werden dann in riesigen Depots in der Schweiz und anderswo eingelagert. Unmoralisch ist das nicht, aber schade – in erster Linie für die Käufer selbst. Mit der Reduzierung zum Investment geht viel verloren. Denn Kunst ist viel mehr. Sie ist eine Herausforderung der Sinne, ein Imperativ der Haltung, eine Frage der persönlichen Überzeugungen.

Börsen-Kurier: In Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise litt auch der internationale Kunstmarkt beziehungsweise der Kunsthandel. Bloomberg zufolge sind Umsätze und Preise damals eingebrochen. Der Crash hatte somit auch die Auktionssäle der großen Häuser erreicht. Andererseits soll die Krise auf die heimischen Auktionshäuser keinen Einfluss gehabt haben.

Ressler: Es ist richtig, dass 2009 die Umsätze bei den großen Häusern dramatisch eingebrochen sind. Auch ich habe damals mit einem deutlichen Rückgang gerechnet und konsequent Kosten eingespart, besonders bei der Werbung. Das Ergebnis dieser Zurückhaltung war, dass der Umsatz im Kinsky 2009 um 35 % gegenüber dem Vorjahr anstieg. Der Grund war, dass es in Österreich kaum Spekulation in Kunst gibt. Ich kenne einen einzigen Sammler, der sich stolz „Spekulant“ nennt, aber so gut wie nie verkauft, also keine Spekulationsgewinne lukriert. Das ist kein Spekulant, sondern ein Sammler, der seine Leidenschaft rationalisiert.

Börsen-Kurier: Und wie beurteilen Sie den österreichischen Kunstmarkt heute, bzw. welche Rolle spielt heimische zeitgenössische Kunst international?

Ressler: Unter den (laut Ranking von Artfacts, das die Ausstellungsintensität weltweit misst) 100 erfolgreichsten Künstlern befinden sich sieben Österreicher: Erwin Wurm, Franz West, Valie Export, Arnulf Rainer, Heimo Zobernig, Günter Brus und Hermann Nitsch. Da Österreich nur 1 Promille der Population beiträgt, ist das eine herausragende Position. Auch gemessen am Kunstumsatz pro Kopf nimmt Österreich einen Platz ganz vorne ein. Das zu ermitteln ist ein bisschen schwierig, weil die Kunstumsätze in New York, London und Hongkong, ja den Ländern der Käufer zugeordnet werden müssten. Wenn man das herausrechnet, ist Wien die Nr. 1. Das heißt, hierzulande geben die Menschen (im Durchschnitt) mehr Geld für Kunst aus als in jedem anderen Land. Auch der Vorsprung gegenüber Deutschland ist beträchtlich. Natürlich muss man die Kirche im Dorf lassen und eingestehen, dass die wirklich hohen Preise anderswo erzielt werden. Aber es gibt keinen Grund, sich kleiner zu machen, als man ist.

Börsen-Kurier: Am 25. März findet bei Ihnen wieder eine Auktion zeitgenössischer Kunst statt. Ihr Haus ist auf hochwertige zeitgenössische und moderne Kunst, vorwiegend österreichischer Provenienz, spezialisiert. In welche Österreicher würden Sie persönlich investieren?

Ressler: Es gibt eine ganze Reihe von Künstlern, die mich begeistern – und es vergeht keine Auktion bei uns, dem Kinsky oder im Dorotheum, wo ich nicht etwas entdecke und mitbieten möchte. Die Künstler, von denen ich mehrere Werke besitze, sind Arnulf Rainer, Hubert Scheibl und Eduard Angeli. Aber ich schätze Rudi Stanzel ganz besonders, und seine Werke sind besonders krass unterbewertet. Von den jungen Künstlerinnen und Künstlern möchte ich Arbeiten von Esther Stocker, von Anemona Crisan, von Claudia Hirtl und von Klaus Mosettig vorrangig erwerben. Bei einer solchen Aufzählung habe ich immer das schlechte Gefühl, einen (mir) wichtigen Künstler zu vergessen. Also: Die Liste ist nach oben offen!

Börsen-Kurier: Kann man sagen, dass die Kauflaune der Kunstsammler ungebrochen oder sogar wieder im Steigen begriffen ist?

Ressler: Nach der Auktion am 28. Jänner würde ich sagen, die Kauflaune ist ungebrochen und sogar im Steigen begriffen. Der Kreis der Menschen, die Kunst kaufen, wächst, und die Sammler, die sich schon länger engagieren, haben noch immer Hunger auf Kunst. Es macht momentan besonders viel Spaß, Auktionator zu sein.

Foto: Ressler Kunst Auktionen GmbH