Besteuerungsdebatte um reiche Beute
Die OECD arbeitet an mehreren Modellen zu einer globalen Reform des Steuersystems.
Roman Steinbauer. Der gegenwärtige Ansatz zur Gewinnbesteuerung der Unternehmen führt zu Diskussionen. Neue, international erarbeitete Vorschläge zielen verstärkt auf eine Abkehr der Einhebung vom Ort des Firmensitzes zu Gunsten jener Staaten, in deren Absatzregionen die Umsätze stattfinden. Insbesondere steigt der Druck großflächiger und bevölkerungsreicher Länder deutlich, die Gewinnsteuer multinationaler Firmen an die Märkte der Endverbraucher bzw. Abnehmer zu verlagern. Dies zielt aber unterdessen nicht nur auf die digitale Wirtschaft ab, deren Umsätze ohnehin bereits ins Visier etlicher europäischer Finanzminister gelangten.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, Vereinigung 36 entwickelter Mitgliedsstaaten) erarbeitet derzeit mehrere Modelle zu einer Reform. Dazu wird nicht nur die Wertschöpfungsabgabe anhand von Nutzerdaten digitaler, globaler Player geprüft. Überlegungen zielen dabei auch darauf ab, Gewinne der Weltkonzerne aus Markenrechten steuerlich auf die Staaten der Absatzmärkte aufzuteilen, anstatt den Fiskus an den Hauptsitzen der Gesellschaften zum Zug kommen zu lassen.
Im Visier
Eine Studie der dänischen Beratungsfirma Copenhagen Economics skizziert die annehmbaren Folgen einer Umsetzung der aktuellen OECD-Vorschläge. Von einer Umschichtung der Steuereinnahmen negativ betroffen wären neben der Schweiz (hohe Steuererträge aus der forschungsintensiven Pharmaindustrie) vor allem skandinavische Länder. Ihnen könnte bis zu einem Fünftel der Steuerbasis aus Unternehmensgewinnen abhandenkommen. Grundlegend folgen die Auswirkungen wohl folgendem Muster: Kleinere Volkswirtschaften mit proportional hohen Handelsbilanzüberschüssen zur Wirtschaftsleistung hätten im Netto-Steueraufkommen mit Mindereinnahmen zu rechnen. Die Ursache dafür begründet sich unter anderem dadurch, dass in deren Lieferkette oft Produkte den Ausschlag geben, für die ein jahrelanger Forschungsaufwand notwendig war. Profitieren würden bevölkerungsreiche Entwicklungsstaaten wie die BRIC- und „Next-Eleven“-Länder. Nach Angaben der Neuen Zürcher Zeitung müsste die Schweiz mit Einbußen von umgerechnet 2,7 Mrd Euro an Gewinnsteuern pro Jahr rechnen. Liegen diese bei den Eidgenossen doch im Verhältnis zum Gesamtsteueraufkommen mit 11 % überdurchschnittlich hoch. Zu Österreich (Anteil der Gewinnsteuern etwa 8 %) sind derzeit keine kalkulierten Durchrechnungsmodelle greifbar. Doch ist davon auszugehen, dass durch die bestehende Wirtschaftsstruktur auch der östliche Alpenstaat (in abgeschwächter Form) nicht ungeschoren davonkommen würde. An Relevanz gewinnt das Thema zunehmend, da auch das IWF-Direktorium mit einer Neuregelung der Steuerleistungen in Richtung Absatzmärkte sympathisiert. Vorrangig will der IWF dabei dem Steuerwettbewerb vieler Länder sowie der Praxis der „Abgabenoptimierung“ durch die Wahl günstiger Steuersitze (Irland und diverse Inselstaaten) die Attraktivität entziehen. Der Druck zu dieser gewichtigen Umsetzung steigt durch die zunehmende Marktmacht der bevölkerungsreichen Staaten.
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