Der Brexit naht (wahrscheinlich)

Mögliche Szenarien und ihre Auswirkungen auf Ihre Portfolios.

Red/ks. Laut Drehbuch sollte es in rund zwei Wochen so weit sein: Mit dem Brexit geht das große politische Lebensziel von Nigel Farage und anderen Brexiteers in Erfüllung. Was aber am und nach dem 29. März wirklich passieren wird, weiß heute noch niemand.

Und so hat sich unter anderem der US-Assetmanager T. Rowe Price seine Gedanken gemacht. Quentin Fitzsimmons, er ist Fixed Income Portfolio Manager und in Großbritannien ansässig, geht dabei von mehreren Szenarien aus.

Nach einer weiteren bemerkenswerten Woche in der britischen Politik hätten sich nämlich die Aussichten für das von Premierministerin Theresa May ausgehandelte und für tot erklärte Austrittsabkommen verbessert, so der Experte. Und: „Denn die European Research Group (ERG) und die Democratic Union Party (DUP) könnten nun den Deal unterstützen.“ Dieser mögliche Positionswechsel gehe auf das Bestreben der DUP und ERG zurück, dass Großbritannien die EU pünktlich zum 29. März verlasse. Für den Fall nämlich, dass ihr Abkommen nicht vom Parlament akzeptiert würde, habe May Anfang der Woche den Parlamentsabgeordneten die Möglichkeit eingeräumt, einen No-Deal-Ausgang zurückzuweisen und eine begrenzte Verzögerung des Brexits zu erzwingen.

„Inzwischen unterstützt auch die oppositionelle Labour-Partei ein zweites Referendum zum Brexit, nachdem ihr alternativer Brexit-Plan vom Parlament nicht angenommen wurde“, sagt der Manager. Die Labour-Partei werde nun wahrscheinlich versuchen, ein zweites Referendum zu fixieren, sobald Premierministerin May ihren Brexit-Deal voraussichtlich am 12. März (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, Anm.) erneut dem Parlament zur Abstimmung vorlegen werde. Bis dahin würden die Verhandlungen mit der EU fortfahren. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass Brüssel große Zugeständnisse zum bestehenden Vertrag machen wird“, so der Fitzsimmons. Werde der Deal dann erneut abgelehnt, werden die Abgeordneten am 13. März darüber abstimmen, ob sie einen No Deal-Brexit unterstützen. Sei das dann nicht der Fall, stimmten die Parlamentarier am 14. März über eine kurze, begrenzte Verlängerung von Artikel 50 ab.

Vier denkbare Szenarien
Zunächst einmal der Austritt mit Mays Deal und einer Patronatserklärung zum Backstop: Das Parlament werde der modifizierten Version des Austrittsabkommens zustimmen, dass die britische Regierung mit der EU ausgehandelt hat. Großbritannien verlasse dann den Block am 29. März. „In diesem wahrscheinlichsten Szenario werden die britischen Anleihemärkte wahrscheinlich abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes bleiben. Und unabhängig vom Ausgang des Brexits wird diese kaum stark sein“, so Fitzsimmons. Auch mit einem Deal treffe ein harter Brexit die Kreditmärkte, schaffe aber auch Investitionsmöglichkeiten bei Unternehmensanleihen, deren Bewertungen im Verhältnis zur Fundamentalqualität zu weit gefallen seien. Hinsichtlich des britischen Aktienmarktes stellt Fitzsimmons fest, dass dieser bereits abgewertet habe. „Die Akzeptanz von Premier Mays Deal würde mögliches Wertsteigerungspotential im Markt freisetzen, da dieser sich bereits auf die Möglichkeit eines ungeordneten Brexits vorbereitet habe“, meint er. Das Pfund Sterling werde indes von den Aussichten eines Deals über Wasser gehalten. „Allerdings ist das Austrittsabkommen keine ideale wirtschaftliche Lösung. Da das Pfund der Stoßdämpfer der britischen Wirtschaft bleibt, wird es vermutlich an Wert verlieren“, unterstreicht er. Wie hoch die Verluste ausfallen, werde davon abhängen, wie schnell das Vertrauen in die Wirtschaft wiederhergestellt werden könne. Die britische Wirtschaft könne sich schneller als erwartet erholen. „Das bedeutet, jede Schwäche des Pfunds oder britischer Assets könnte insgesamt kurzlebig sein“, prognostiziert Fitzsimmons. Die Eintrittswahrscheinlichkeit dieses Szenarios schätzt er mit 50 % ein.

Verlängerung von Artikel 50
„Die EU könnte einer Verlängerung des Artikel 50 zustimmen, um der britischen Regierung mehr Zeit zu verschaffen, einen Deal durch das Unterhaus zu bekommen“, so der Fachmann. Das umfasse auch die Möglichkeit, dass die britischen Wähler über den Deal in einem zweiten Referendum abstimmen könnten. Eintrittswahrscheinlichkeit: 25 %.

No-Deal-Brexit am 29. März
Die britische Regierung schaffe es nicht, die Zustimmung des Parlaments für einen Deal zu bekommen und verlasse die EU am 29. März ohne geltende Übergangsregelungen sowie ohne Übergangszeitraum, der es der Wirtschaft und Bevölkerung erlaube, sich vorzubereiten. „In diesem Fall würde der Handel Großbritanniens mit der EU sofort den Regeln der WTO unterliegen“, sagt Fitzsimmons. Eintrittswahrscheinlichkeit: 15 %.

Vorgezogene Neuwahlen

Scheitere die Regierung an der Durchsetzung ihres Deals, könnte sich die Premierministerin entschließen, vorgezogene Parlamentswahlen anzusetzen, um die Mehrheit der regierenden konservativen Partei auszubauen. Das könnte es einfacher machen, einen Vertrag durchzubringen. „Voraussetzung dafür wäre eine Verlängerung von Artikel 50“, so Fitzsimmons. Wahrscheinlichkeit: 10 %.

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