Pensionsvorsorge unter Druck – was tun?

Prämienminus, Zinsflaute, Rücktritte: fünf Experten zum schweren Stand der privaten Altersvorsorge.

Emanuel Lampert.Wenn Kunden in den vergangenen Jahren beim Blick auf ihre Leben-Polizze Unmut verspürten, dann zwar auch wegen Gewinnprognosen, denen die Niedrigzinsära einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Für Rudolf Mittendorfer von der Wiener Versicherungsmakler-Kanzlei Verag waren die Debatten um das „ewige Rücktrittsrecht“ aber nicht nur durch maue Performance motiviert: Kunden seien „zurückgetreten, weil sie getreten wurden, zurückzutreten“. Ihnen sei eingeredet worden, dass sich hier eine Chance auftue, „die Rendite zu bekommen, die der Markt nicht hergegeben hat“, sagte Mittendorfer bei einem „Round Table“, den das VersicherungsJournal, ein Schwestermedium des Börsen-Kurier, jüngst veranstaltet hat.

Überhaupt ärgert Mittendorfer, der auch Sprecher für Konsumentenschutzpolitik im Fachverband der Versicherungsmakler ist, wie an das Thema Rücktritt herangegangen wird. So hätten Konsumentenschützer einmal von einem Produkt gemeint, es sei das beste, weil es nach sechs Jahren den besten Rückkaufswert hat. „Ich kann doch langfristige Produkte zur Altersvorsorge nicht daran messen, wann ich wo günstiger aussteige“, unterstreicht Mittendorfer. Entscheidend sei, was der Kunde „wirklich braucht“ und dass er langfristig zur getroffenen Entscheidung steht. Wer beim Vorsorgen Sicherheit sucht, dem rät Mittendorfer zu einer Versicherung mit lebenslang garantierter Rente. Wer Rendite braucht, dem empfiehlt er eine fondsgebundene Versicherung.

Kapitalmärkte nutzen
Aus der Warte von Andreas Bayerle, im Vorstand der Helvetia Österreich für Finanzen und Leben zuständig, führt „kein Weg daran vorbei, die Kapitalmärkte für sich arbeiten zu lassen“, denn in der Niedrigzinsphase das Geld auf dem Sparbuch zu lagern, sei „reine Kapitalvernichtung“. Die Alternative für langfristige Investments sieht er in der fondsgebundenen Lebensversicherung. Er führt nicht zuletzt Steuervorteile ins Treffen; ebenso einen „von Anfang an sehr hohen Investitionsgrad“, wenn die Provisionskosten auf die Laufzeit verteilt sind.

Und falls Veranlagungsrisiken Sorgen machen? Wo es Rendite gibt, gebe es auch Risiko, sagt Bayerle. „Aber das Risiko, dass der Kunde bei einem Zeitraum von 20 Jahren Geld verliert, existiert bei einem breit diversifizierten Portfolio de facto nicht.“ Zudem könne man Kunden die Möglichkeit geben, in einen gesicherten Teil zu switchen, falls ihnen Kapitalmarktentwicklungen bedrohlich erscheinen. Das eigentliche Risiko sei, sich durch Bekannte oder Nachrichten, „weil wir medial gefühlt von einer Krise zur nächsten hecheln“, vom Abschluss abhalten zu lassen.

Ausdauer gefragt
In ein ähnliches Horn stößt hier Adam Lessing, er ist Head of Central & Eastern Europe beim Vermögensverwalter Fidelity: „Wenn man über einen Zeitraum von 15 oder 20 Jahren durchhält – und das sollte man bei einem Vorsorgeprodukt -, wird ein gutes Ergebnis herauskommen.“

Zeiten erhöhter Volatilität, betont er, sollten nicht dazu verleiten, auf einen „besten Einstiegszeitpunkt“ zu warten. „Der kommt nie.“ Denn ein fallender Markt führe zu Furcht, ein steigender zum Gefühl, dass es gerade teuer ist. Investiert zu sein, sei in der Vorsorge wichtiger, als der Versuch, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Das
Risiko sei vielmehr, dass die Kunden so lange auf ihn warten, „dass sie
am Schluss jahrelang im Cash gewesen sind, durch die Inflation verloren und nichts verdient haben“.

Das Fondsspektrum ist breit – ob die schiere Vielfalt da nicht manchen
„erschlägt“? „Flexibilität halte ich für gut“, schickt Lessing voraus. „Aber für unser eigentliches volkswirtschaftliches Problem, den Kunden aus dem Sparbuch herauszuholen, genügt eine begrenzte Anzahl von Fonds.“

Potenzial für Fondspolizze
Derweil ist die fondsgebundene Lebensversicherung in Österreich noch ein relativ kleines Segment. Etwa ein Viertel aller Lebensversicherungsprämien entfällt auf die Fonds- und Indexgebundene. Patrick Ortner, der Leiter des Makler- und Agenturvertriebs in der Ergo Versicherung, sieht dennoch – oder gerade deshalb – Potenzial: „Von skandinavischen Ländern hört man, dass sogar 60 bis 80 % in der Fondsgebundenen anlegen.“

Auch eigene Erfahrungswerte, die die Ergo mit einem Produkt gemacht hat, das Klassische und Fondsgebundene unter dem Label „flexible Lebensversicherung“ kombiniert, deuten in diese Richtung: Die Kunden gehen „zu zirka 60 % in Fonds und nur zu 40 %
in den klassischen Deckungsstock“, berichtet Ortner, „Tendenz steigend für die Fondsveranlagung“.

Er will auch die klassische Lebensversicherung als solche nicht generell ad acta gelegt wissen. „Auch wenn im Moment andere Produkte im Vordergrund stehen, glaube ich doch, dass sie auch in Zukunft ein Thema sein wird.“

Mittel gegen Pensionslücke
Wolfgang Staudinger
, Versicherungsmakler und Vermögensberater im Salzburger Straßwalchen, erachtet jedenfalls Rendite als Thema; sie sei aufgrund der Inflation – Stichwort Realwertverlust – wichtig. Er hebt auch hervor, eine Kostenverteilung auf die Laufzeit wirke sich positiv auf den Veranlagungserfolg aus.

Ist die Lebensversicherung ein gutes Mittel gegen die Pensionslücke? „Die Fondspolizze ist – bei höherer Renditeannahme, das muss man dazusagen – aufgrund der Steuersituation verglichen mit einem Wertpapierdepot das perfekte Vehikel“, meint Staudinger. „Bei geringeren Renditeerwartungen ist ein Wertpapierdepot kosten- und steuereffizienter.“

Wichtig sei Flexibilität: Wenn man ein „starres Produkt“ habe, sich der Markt aber dramatisch verändere und man deshalb wechseln wolle, müsste man in ein anderes Produkt umsteigen. Das verursache aber Kosten. Kostenarme Änderungsmöglichkeiten innerhalb des Produkts seien deshalb von Vorteil. „Wir wissen nicht, wie der Zinsenmarkt in zehn Jahren aussehen wird.“

Foto: Clemens Perger