Europas Industrie schwächelt

Eine selten ungünstige Konstellation am alten Kontinent.

Michael Kordovsky. Der aktuelle Einkaufsmanager-Index für die Privatwirtschaft des Euroraums liefert ein klares Ergebnis: Während im Juni die Geschäfte der Dienstleister so gut liefen wie zuletzt vor acht Monaten, war die Industrieproduktion das fünfte Mal hintereinander rückläufig. Dabei fiel der Rückgang erneut so stark aus wie selten zuvor in den vergangenen sechs Jahren – so die Umfrageergebnisse von IHS Markit.

Und auch Eurostat schlägt in dieselbe Kerbe: Die Entwicklung der Industrieproduktion seit November 2018 ist alles andere als erfreulich: Nach -2,9 und -4,2 % im November und Dezember 2018 folgte im Jänner 2019 ein weiterer jährlicher Rückgang um -0,4 %, ehe nach einem Nullwachstum im Feber im März die Industrieproduktion der Eurozone um -0,7 % schrumpfte. Im April 2019 lag der Rückgang noch immer bei -0,4 %.

Fachkräftemangel und schwache Autoindustrie

Die Ursachen liegen in einer generell ungünstigen Konstellation bestehend aus einer Umstellung der Automobilindustrie auf ein neues Abgastestverfahren, der Zollpolitik der USA, einer konjunkturellen Abschwächung des wichtigen Absatzmarktes China, Russlandsanktionen und einem Mangel an Fachkräften.

Letzteres betrifft vor allem die Leitwirtschaft Deutschland, aber auch andere Volkswirtschaften mit niedriger Arbeitslosigkeit. Bereits im April 2018 ging eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) durch die Medien, wonach in Deutschland etwa 440.000 Fachkräfte fehlen, und sich das jährliche BIP-Wachstum folglich um bis zu 0,9 %-Punkte verringert. Die schwierige und oft erfolglose Suche nach Fachkräften ist mittlerweile ein wichtiger Grund für niedrige Unternehmensinvestitionen und überlastete Kapazitäten. Dies betrifft vor allem KMU.

Schlecht ist auch die Stimmung in der Autoindustrie, die unter einem schwachen Absatz bei Dieselfahrzeugen leidet. Der Verband der europäischen Automobilhersteller (Acea) senkte auf seiner jüngsten Generalversammlung in Brüssel seine Prognose für die Pkw-Neuzulassungen in Europa. Nun rechne er mit einem Rückgang um 1 % statt wie zuvor mit einem Wachstum in der gleichen Höhe.

Bis einschließlich April 2019 verzeichnete in Europa die Anzahl der Pkw-Neuzulassungen eine rückläufige Entwicklung über acht Monate, ehe im Mai ein marginaler Anstieg um 0,1 % auf 1.400. 518 Stück erfolgte. EU-weit verringerten sich die Neuzulassungen im ersten Quartal um 3,3 %. Und: Die Schwäche der Automobilindustrie greift über auf Zulieferbranchen.

Frühindikator hat sich bestätigt

Auffallend ist somit auch die schwache Entwicklung bei den Industrie- und Vorleistungsgütern. Letztere verzeichneten auf Jahresbasis in den Monaten März und April 2019 jeweils einen Rückgang um -0,5 bzw. -1,2 %. Bei den Investitionsgütern fiel der überdurchschnittliche Einbruch von je -4,4, -5,1 bzw. -2,4 % im November und Dezember 2018 sowie im Jänner 2019 auf, ehe es nach einer kurzen Erholung im April erneut zu einer Schrumpfung um 1,2 % kam.

Ein sehr guter Frühindikator, wie es im Industriebereich weitergeht, ist der Auftragseingang der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie. Sind die Firmenchefs optimistisch, bestellen sie wieder verstärkt Industrieausrüstung – und hier verfügen deutsche Firmen über eine starke Marktposition. Fakt ist, dass laut VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), im ersten Quartal 2019 der Auftragseingang der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 21 % zurückging, wobei die Auslandsorders um 27 % einbrachen. Die schlechten Industrie-Daten der Einkaufsmanager-Indizes für den Euroraum sind somit in den Monaten Mai und Juni plausibel.

Was bei den aktuellen Problemen der Industrie jedoch auffällt, ist, dass sie Großteils von der internationalen Politik (ausgehend von den USA) gesteuert sind. Insofern bleibt noch ein Rest an Hoffnung, dass US-Präsident Donald Trump zum Wahlkampf-Auftakt den Hebel hin zu einer konstruktiveren Außen- und Handelspolitik umlegt.

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