Reizvolle Touristik-Aktien
Durch eine Serie von negativen Ergebnissen bieten Reise-Aktien Einstiegskurse.
Roman Steinbauer. Der Tourismus boomt in Europa. Die Aktien des Reisesektors glänzen hingegen keineswegs. Das dramatische Geschehen um den britischen Urlaubsriesen Thomas Cook (ISIN: GB00B1VYCH82) spiegelt hier die rasanten Umwälzungen. Mit der „MyTravel“-Fusion im Jahre 2007 bildete sich während der vergangenen Dekade einer der weltgrößten Anbieter. Neben dem eigenen Namen agieren bedeutende Marken wie Airtours, Neckermann, Condor, Direct Holidays und My Sunquest unter der Holding aus Peterborough. Trotz Umsatzsteigerungen (10,69 Mrd Euro im Geschäftsjahr 2018) stieg der Kostendruck enorm. Erstmals seit vier Jahren steht im Ergebnis pro Aktie wiederum ein Minus-Vorzeichen. Die magere Dividende wurde erneut ausgesetzt, die nahende Konkursreife zeigt die Eigenkapital-Quote von hauchdünnen 4,4 % auf. Die Konsequenzen für die Anteilhaber waren binnen zwölf Monaten fatal: Zahlten Anleger für die Aktien an der Londoner Börse im Juli 2018 noch mehr als 1 GBP oder 1,11 Euro, so wechseln die Anteilsscheine aktuell noch um 4,7 Pence oder 5,2 Eurocent den Besitzer. Das Moody’s-Rating liegt nun mit „Ca“ knapp am Default-Niveau. Doch zeichnet sich Entscheidendes ab: Fortgeschrittene Gespräche mit dem größten Anteilseigner, der chinesischen Beteiligungsgruppe Fosun (HK0656039673), lassen auf eine Kapitalspritze von umgerechnet 835 Mio Euro hoffen. Eine davor drohende, erhebliche Ausdünnung der Altaktionäre, führt bei einem Erwerb aber zu einem Hasardspiel. Fosun dürfte sich im Gegenzug mit einem weit stärkeren Eigenkapital-Anteil an der Gesellschaft wiederfinden. Gläubiger sind auf dem Weg, eine „Conversion“ durchzusetzen (Wandel von Forderungen in Eigenkapital). Neue Bewertungsrelationen könnten die Aktie danach zur Benchmark des Sektors attraktiv erscheinen lassen.
Günstige Bewertung durch drohende Regulierungen
Die Dividendentitel des international agierenden Kreuzfahrt-Veranstalters Carnival Corp. (PA1436583006) drifteten seit 18 Monaten an der NYSE um mehr als 30 % ab. Der Sektor droht weiter ins Visier des Klimaschutz-Themas zu gelangen. Die Höhe künftiger Investitionskosten (Ersatz des Ölantriebs) ist heute schwer einzuschätzen. Erst im Juni stoppten Aktivisten die „Zuiderdam“ (zu einer Tochtergesellschaft Carnivals gehörend) auf dem Weg von Kiel nach Kopenhagen. Das Unternehmen aus Miami ist mit insgesamt 101 Schiffen unter mehreren Marken-Linien (Princess, AIDA) bis zur Premium- und Luxusklasse (Holland America Line, Cunard Line) mit Erlebnisfahrten auf den Weltmeeren unterwegs. Seit 2015 steigen jährlich die Ausschüttungen je Aktie zwischen 15 und 20 %. Die Dividenden-Rendite beläuft sich unterdessen auf 4,4 %. Das KGV (bezogen zur Erwartung der heurigen Gewinne) liegt nur noch bei 10,4.
Im Windschatten des Boeing-Dilemmas
Mit einer halbierten Notiz im gleichen Zeitraum ernüchterten die Aktien der deutschen TUI-Gruppe (DE000TUAG000) die Investoren. Der in die Segmente Travel, Hotels & Resorts sowie Kreuzfahrten gegliederte Konzern enttäuschte die Anleger kürzlich mit der Zurücknahme des zuvor prognostizierten EBITDA-Anstiegs für das heurige Geschäftsjahr. Weitere Belastung: Der größte Ferienhotelier Europas ist einer der bedeutendsten Kunden der Boeing-737Max-Jets, deren Einsatz immer noch nicht absehbar ist. Heraufziehende, schärfere Umweltauflagen trüben auch in diesem Fall den Blick auf Gewinnperspektiven. Die Bewertung mit einem Vorwärts-KGV von nun 10,8 und einer Dividenden-Rendite von knapp 6 % wirkt unterdessen sehr attraktiv.
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