Man muss nicht alles regeln!
Wir sprachen mit dem niederösterreichischen Finanzdienstleister-Obmann über alle Neuerungen für Berater aber natürlich auch für deren Kunden.
Börsen-Kurier: Vieles, das nicht unbedingt direkt mit Ihren Kernaufgaben, also der möglichst besten Beratung der Kunden, zu tun hat, ist in der jüngeren Vergangenheit auf Finanzdienstleister zugekommen. Wie geht es Ihnen und
Ihren Kollegen nach einem Jahr DSGVO?
Michael Holzer: Es stimmt. Leider werden immer mehr Aufgaben, die ursächlich nichts mit unserer fachlichen Tätigkeit zu tun haben, auf die Unternehmerinnen und Unternehmer übertragen. Dies betrifft nicht nur legistische Rahmenbedingungen, wie dies bei der DSGVO der Fall war (und seit 1. Jänner auch mit der IDD), sondern auch fachliche Abwicklungsprozessen, die uns von der Versicherungsindustrie, aber auch den Banken (in der Finanzierungsabwicklung) auferlegt werden. Das führt dazu, dass die Kolleginnen und Kollegen immer mehr administrative Tätigkeiten machen müssen und dadurch weniger Zeit für den Kunden haben. Aus diesem Grund begrüßen wir auch Maßnahmen und Prozessinstallationen aller Marktteilnehmer, die unsere tägliche Arbeit entlasten, womit wir wieder mehr Zeit für die eigentlichen Aufgaben haben.
Zur DSGVO im Speziellen: Die Umsetzung hat bei uns ja bereits im Jänner 2018 mit Informationsoffensiven vor Ort in Niederösterreich bei den Mitgliedern begonnen. Zusätzlich hat unser Bundesland federführend – gemeinsam mit einem Juristen – Unterlagen entworfen, die jedes Mitgliedsunternehmen einfach übernehmen konnte. Weiters hatten wir eine Hotline für offene Fragen eingerichtet, die aber kaum in Anspruch genommen werden musste – anscheinend waren die Unterlagen sehr praktisch.
Aufgrund unserer vielen Gespräche wissen wir, dass die Umsetzung in den Betrieben gut durchgeführt wurde, dass die Kunden nun bei jedem Gespräch zu diesem Thema sensibilisiert werden und auch die notwendigen Formulare vorgelegt bekommen bzw. diese unterfertigen. Im Rahmen unseres „Weiterbildungs KICK OFF“, den im Vorjahr mehr als 1.000 Berater in ganz Österreich besucht haben, informieren wir übrigens auch künftig über aktuelle Entwicklungen und Entscheidungen im diesem Bereich.
Börsen-Kurier: Dann wurde Ende vergangenen Jahres die schon erwähnte „IDD“ (Insurance Distribution Directive) mittels der Versicherungsvermittlungsnovelle 2018 umgesetzt und im Nationalrat beschlossen. Was ist da der Stand der Dinge und was bringt die IDD dem Kunden?
Holzer: Mittlerweile – wir haben jetzt August 2019 – sind die Standesregeln veröffentlicht und in Folge die Lehrpläne, obwohl die IDD eigentlich bereits seit 1.1.2019 Gültigkeit hat. Da dies wie gesagt erst in den vergangenen Wochen geschehen ist sind wir nun dabei, den Mitgliedern wieder adaptierte Unterlagen, die IDD tauglich sind, für den täglichen Betrieb zur Verfügung zu stellen. Was wir in Erfahrung bringen konnten, haben wir seit rund einem Jahr weitergegeben, d.h. es ist großteils bereits bekannt, was auf uns alle da zukommt. Praktisch gesehen müssen noch einige Punkte der bis 31.12. 2018 gültigen Versicherungsvermittler-Richtlinie adaptiert werden.
Was bringt die IDD aber dem Kunden? Ich behaupte: wieder etwas mehr Verwirrung. Natürlich ist der heroische Ansatz solcher Richtlinien, dass es für den Kunden am Ende mehr oder einfachere Informationen geben soll, das wäre ja richtig. Wenn dies aber dann ausartet in -zig Seiten, die dann auch noch von der EU und von nationalen Behörden mit Verordnungen ergänzt werden, dann muss ich das in Frage stellen. Denn nur weil noch mehr Papier produziert wird, heißt es nicht, dass die Info auch beim Kunden entsprechend ankommt. Beispielsweise haben manche Lebensversicherungsanträge jetzt 70 Seiten. Ob das ein Mehr an Transparenz bedeutet, ist die Frage.
Börsen-Kurier: Und dann sind da noch die Standesregeln. Wie haben sie sich sowohl auf Berater- als auch Kundenseite etabliert?
Holzer: Die Standesregeln sind seit 17.6.2019 in Kraft, da kann man noch nicht viel sagen. Wesentlich ist, dass sich die Versicherungsvermittler gegenüber dem Kunden ehrlich, redlich und professionell verhalten müssen. Das haben die Mitgliedsbetriebe aber bisher auch gemacht. Jetzt steht es halt im Gesetz – gut so.
Neu ist, dass Versicherungsvermittler keine Anreize (etwa Provision; jedenfalls muss offengelegt werden, ob man eine Provision und/oder ein Honorar bekommt) entgegennehmen dürfen, wenn das vermittelte Produkt nicht den Interessen des Kunden (nach Erhebung durch einen sogenannten „Wünsche-Bedürfnistest“) entspricht bzw. bewusst ein schlechteres Produkt empfohlen wurde. Auch das haben die Mitgliedsbetriebe schon bisher nicht gemacht, und jetzt steht es halt auch im Gesetz. Neu ist weiters die Statusklarheit, d.h. vor der Gewerbeanmeldung muss man sich entscheiden: Wird man als Vermögensberater in der Eigenschaft als Versicherungsmakler oder als Versicherungsagent tätig – und dies auf den Papieren dem Kunden vorweisen.
Börsen-Kurier: Schauen wir aber auch in die Zukunft. Trotz aller tagespolitischer Querelen auf EU-Ebene wächst Europa auch immer wieder ein Stück zusammen. Im Bereich der Finanzdienstleistung etwa mittels eines länderübergreifenden Altersvorsorgeproduktes mit dem Kürzel PEPP (für Pan-European Pension Product). Was erwarten Sie sich davon? Ist das ein vernünftiger Ansatz für die Lösung des Pensionsproblems in Europa und letztlich Österreich?
Holzer: Ob dieses Produkt das halten wird können, was man sich auf EU-Ebene verspricht, wird man noch sehen. Wir beobachten die Entwicklung aber genau und werden etwaige Produkte analysieren und gegenüberstellen. Grundsätzlich ist es ein guter Gedanke, ob damit die Pensionsproblematik der einzelnen EU-Staaten gelöst werden kann, darf aber bezweifelt werden.
Börsen-Kurier: Schon im September gibt es Neuwahlen. Die Reformen der alten Regierung wurden somit auf Eis gelegt. Was erwarten Sie sich von der dann neuen Regierung?
Holzer: Wir erwarten uns weiterhin kein sogenanntes „golden Plating“. Ganz im Gegenteil: Wir erwarten uns das Abschaffen von unnötig gewordenen Regelungen und Gesetzen, die die tägliche Arbeit behindern und nur unnötig Aufwand und Kosten im Betrieb aber auch im Staat auslösen. Diese müssen eliminiert werden. Und noch ein Nachsatz: Man muss nicht alles regeln. Wir haben schon genug Gesetze und Richtlinien. Für jedes neues Gesetz muss ein anderes aufgehoben werden, das ist, denke ich, ein guter Ansatz.
Foto: WKNÖ