Nicht einfach, wirklich „grüne“ Produkte zu erkennen

Die Fülle an nachhaltigen Produkten stellt Anleger vor Herausforderungen.

Patrick Baldia. Nachhaltiges bzw. verantwortungsvolles Investieren gewinnt immer mehr an Bedeutung. Laut einem Bericht der „Global Sustainable Investment Alliance“ sind Investments, denen ESG-Strategien zugrunde liegen, seit 2016 um 34 % auf rund 30 Bio USD gestiegen (ESG steht für Environment, Social und Governance, Anm.). Auch eine Umfrage von „BNP Paribas Securites Services“ unter 347 Asset Managern und institutionellen Investoren zeigt auf, dass das ESG-Engagement bzw. die Integration von einschlägigen Kriterien weiter zunimmt: Mehr als 90 % der Befragten gehen davon aus, dass bis 2021 rund ein Viertel ihrer Fonds auf ESG-Kriterien ausgerichtet sein wird.

Keine einheitliche Meinung
Das Angebot an nachhaltigen Fonds nimmt also weiter zu, was durchaus erfreulich ist. Für Anleger stellt das allerdings eine Herausforderung dar. „Es ist zunehmend schwer, die wirklich nachhaltigen Produkte auszumachen“, sagt Susanne Hasenhüttl, Expertin für Grünes Investment bei der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT), im Gespräch mit dem Börsen-Kurier. Das liege auch daran, dass es zwar eine Reihe von Initiativen der Finanzindustrie sowie einschlägige Labels und Gütesiegel – auch von unabhängigen Instanzen – gebe, aber noch immer keinen einheitlichen internationalen Standard für nachhaltige Investments – ganz zu schweigen von einer einheitlichen Meinung, was man darunter eigentlich versteht.

Das sollte sich – zumindest in der EU – bald ändern. Derzeit wird im Rahmen des Sustainable-Finance-Programms der EU-Kommission an einer Nachhaltigkeits-Taxonomie gearbeitet. Mit diesem Klassifizierungssystem sollen Investoren leichter einordnen können, ob und inwiefern wirtschaftliche Aktivitäten ökologisch nachhaltig sind. Bis diese Taxonomie bzw. die daraus abgeleiteten Gesetzesinitiativen beschlossen werden, dürfte es noch eine Weile dauern. Zwar hat die von der EU beauftragte Expertenkommission im Juni einen Entwurf vorgelegt, die Finalisierung wurde aber verschoben. Der Grund: dem Vernehmen nach soll es zwischen den EU-Mitgliedsstaaten noch haken.

Wichtig: Portfolio- und Strategie-Check
Aktuell investiert die Mehrheit der nachhaltigen- bzw. ESG-Fonds in eine breite Palette an konventionellen Branchen und arbeitet dabei überwiegend mit zwei Investmentansätzen, die das „European Sustainable Investment Forum“ (Eurosif) bereits vor mehr als zehn Jahren kategorisiert hat: Mittels Ausschlusskriterien (Investments in bestimmte Branchen sind ausgeschlossen) oder der Best-in-Class-Ansatz (dabei wird in die Unternehmen einer Branche investiert, die jeweils die höchsten ESG-Standards aufweisen).

Und so können bei einer Anwendung des Best-in-Class-Ansatzes Titel, die alles andere als „grün“ sind – in der Vergangenheit waren VW oder BP „Klassenbeste“ – in einem Portfolio landen. Auch die Strategie des Normenbasierten Screenings – dabei wird untersucht, ob potenzielle Investments anerkannten Investmentstandards entsprechen – sind kein 100 %iger Schutz vor dem sogenannten „Greenwashing“. Als sicherer gelten nachhaltige Themenfonds. So oder so gilt: Anleger sollten sich mit ESG-Strategie und Portfolio des jeweiligen Produkts umfassend beschäftigen.

Gütesiegel können täuschen
Für bessere Orientierung und Transparenz können wiederum Labels oder Gütesiegel sorgen. Aber auch hier gilt: Genaue Kontrolle ist ein Muss. Umfassende Nachhaltigkeitskriterien, deren Einhaltung durch die Gutachten von unabhängigen Prüfstellen sichergestellt wird, gibt etwa das Österreichische Umweltzeichen, mit dem mehr als 100 Fonds ausgezeichnet sind, vor. Wie Hasenhüttl erklärt, werden die Kriterien für das staatliche Gütesiegel immer wieder überarbeitet. Dabei gehe man auch auf neue Marktentwicklungen ein. „Aktuell wird etwa der Umgang mit fossilen Energieträgern diskutiert. Dabei stellt sich die Frage, ob Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, die Berechtigung haben, in einem nachhaltigen Fonds drinnen zu sein“, so die Expertin. Während das bei Kohle relativ klar scheine, werde es bei Erdgas schon schwieriger. So gebe es die Ansicht, dass Erdgas bis zur Entwicklung nachhaltiger Lösungen in der Industrie eine Brückentechnologie bleiben sollte. Nachsatz: „Bei jedem Label gibt es auch Punkte, die nicht passen bzw. an denen sich der Eine oder Andere stoßen könnte.“

Diese Debatte zeigt auch ein Problem bei der Festlegung von Standards im Bereich nachhaltiges Investieren auf: Während sich die einen für die völlige Meidung gewisser Branchen und Unternehmen aussprechen, meinen die anderen, dass man sie, indem man in sie investiert, zu einem veränderten und nachhaltigeren Verhalten bewegen kann. „Wir sind der Meinung, dass man mit Engagement und Impact Investing sehr viel erreichen kann“, so Neil Goddin, Manager des „Kames Global Sustainable Equity Fund“ (ISIN: IE00BYZJ4F20). Durchwegs perfekte Unternehmen gebe es nicht. Eines sei aber klar: „Die Berücksichtigung von ESG-Kritierien wirkt sich positiv auf die geschäftliche Entwicklung aus.“ Davon profitieren letztlich auch die Anleger. „Diverse Studien bestätigen, dass mit einschlägigen Produkten gute Performancechancen gegeben sind“, bringt es Florian Hauer, Aktienmanager bei der Kepler-Fonds KAG, die seit rund zwei Jahrzehnten im Bereich nachhaltige Geldanlagen tätig ist, abschließend auf den Punkt.

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