Großer Kapitalmarktausblick auf das Jahr 2020

Die Weltpolitik bleibt natürlich der Hauptrisikofaktor im chinesischen „Jahr der Ratte“.

Rudolf Preyer. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) geht in Österreich für heuer von einem BIP-Plus von 1,2 % aus, das Institut für Höhere Studien (IHS) ist mit 1,3 % leicht zuversichtlicher. Obwohl sich der Industriesektor in einer technischen Rezession befindet, drohe eine Rezession hierzu-lande ansonsten nicht, sagen Wifo-Direktor Christoph Badelt und IHS-Chef Martin Kocher unisono. Die Konjunktur werde von einer anhaltend lebhaften Binnennachfrage – gerade auch von Privathaushalten – getragen.

Einen Bodenbildungsprozess im schwachen Industriesektor erwartet Peter Brezinschek (Head of Research bei der RBI), was zu einer – national wie international – weiterhin aufwärtsgerichteten Aktienmarktentwicklung beitragen werde. Und die Schoellerbank versteht die relativen Bewertungen von Aktien gegenüber anderen Anlageklassen als „keinesfalls überzogen“.

Machtzentren Zentralbanken
Dass sich Präsidentschaftswahljahre – im November stimmen die US-Amerikaner über Donald Trumps Wiederwahl ab – als gute Aktienjahre erwiesen haben, unterstreicht Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank. Zu Christine Lagarde sagt er: „Unter der neuen Chefin wird die EZB auf unabsehbare Zeit an ihrem Doppelschlag aus Null-Leitzins und Anleiheaufkäufen festhalten.“ Und: „Das neue Anleiheaufkaufprogramm ist so üppig, dass die gesamte Neuverschuldung der Eurozone massiv überdeckt ist. So lassen sich die übervollen Spendierhosen für grüne Geldpolitik nutzen: Es grünt so grün, wenn EZBs Blüten blühen

Mathilde Lemoine, Chief Economist von Edmond de Rothschild, erwartet auch, dass die Zentralbanken die geldpolitische Lockerung fortsetzen: „Sie werden wieder die realen Erträge von Immobilienwerten gegenüber dem risikolosen Zins erhöhen.“ Nichtsdestoweniger sollten „starkes Lohnwachstum und fiskalische Unterstützung die Abkühlung des globalen Wachstums begrenzen – insbesondere in der Eurozone, wo sich das Wachstum bei 1 % stabilisieren dürfte“.

Anders sieht das Eduard Baitinger, Head of Asset Allocation der FERI Gruppe: Die Notenbanken hatten 2019 das „Überraschungsmoment“ auf ihrer Seite. Das werde in dieser Form 2020 aber nicht mehr der Fall sein, und auch das konventionelle geldpolitische „Dry Powder“ sei größtenteils aufgebraucht. Zudem scheint die Deeskalation im Handelskrieg zwischen den USA und China („Teilhandelsabkommen“) mittlerweile in den Kursen eingepreist.

Glas halbvoll
Wie seine Vorredner sieht William Ledward, Portfolio Manager der Franklin Templeton Fixed Income Group, die Weltwirtschaft abkühlen, aber: „Das Schwellenländeruniversum bietet im Anleihenbereich eine große Vielfalt an guten Risiko-Rendite-Chancen.“ Irina Topa-Serry, Senior Economist bei AXA Investment Managers, sagt eine Erhöhung des realen Wirtschaftswachstums der Emerging Markets von 3,8 auf 4,3 % voraus.

Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert für 2020 ein beträchtliches Überangebot am globalen Ölmarkt. Der Brentöl-Preis dürfte laut Commerzbank um 60 USD/Barrel schwanken.

Gold soll als sicherer Anlagehafen weiterhin gefragt sein. Luca Paolini, Chef-Anlagestratege von Pictet, geht von einem Anstieg des Goldpreises auf 1.650 USD/Oz aus.

Fazit
Gibt es in den Expertenmeinungen einen kleinen gemeinsamen Nenner? Möglicherweise diesen: Zwar werde der Brexit „geordnet“ ablaufen, aufgrund geopolitischer Störfeuer und fragiler Fundamentaldaten scheint die Zeit großer Sprünge aber vorbei zu sein. Dennoch: Die Zinsen bleiben tief, was Aktien begünstigt. Optimisten sehen das Glas somit nach wie vor halbvoll.

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