Seuchenalarm für die Weltwirtschaft

Das Coronavirus bedroht nicht nur die Menschen sondern auch die Börsen und die Weltwirtschaft.

Michael Kordovsky. Eine neue Lungenkrankheit, hervorgerufen durch Coronaviren, wurde zum Wirtschaftsfaktor. In Festland-China stieg vom 20. bis 28. Jänner die offizielle Zahl der Infizierten von 278 auf 14.451. Außerhalb Chinas stieg die Anzahl der Fälle von vier auf 173. Bis dato gab es 305 Tote. Den Höhepunkt der Seuche erwarteten Experten in etwa für Mittwoch bis Samstag dieser Woche. Die Regierung in Peking ließ im Epizentrum der Seuche, der Provinz Hubei, 14 Metropolen mit zusammen 45 Mio Einwohnern von der Außenwelt abschotten. Dort wurden der Nah- und Fernverkehr, Züge und Flüge – alles – eingestellt. Die 113 Mio Einwohner der chinesischen Provinz Guangdong sind verpflichtet, in Einkaufszentren, Hotels, Parks und anderen öffentlichen Orten einen Mundschutz zu tragen.

Zivilschutz versus Wirtschaftsinteressen

Hintergrund: Die chinesische Regierung hat in der SARS-Krise 2002/03 viel Kritik erhalten, zu wenig gegen die Seuche anzukämpfen, und will jetzt signalisieren, die Gefahr besonders ernst zu nehmen. Obwohl das Coronavirus nach bisherigen Erkenntnissen weniger schlimm zu sein scheint als der SARS-Erreger und ihm bisher hauptsächlich ältere Personen mit geschwächtem Immunsystem zum Opfer fallen, werden zur Zeit des chinesischen Neujahrsfestes nun besondere Maßnahmen ergriffen wie z.B. auch der Bau eines 1.000-Betten-Spitals binnen einer Woche.


Die Aggressivität des Coronavirus ist überschaubar und es sollte relativ schnell eingedämmt werden können, was anhand seiner Reproduktionsrate illustriert werden kann, die nach vorläufigen Daten zwischen 1,4 und 2,5 liegt. Konkret heißt dies, dass ein Infizierter im Schnitt nicht mehr als 2,5 Personen ansteckt. Bei Masern liegt dieser Wert bei knapp 20!


Trotzdem kommt es international zu Entscheidungen, die vorübergehend das Wirtschaftswachstum noch zusätzlich beeinträchtigen: Lufthansa hat bereits sämtliche Flüge nach China eingestellt und die Mongolei schließt die Grenze zu China. Toyota beschloss den Betrieb seiner Werke in China bis 9. Feber zu stoppen.

Bereits vor mehr als einer Woche drückte die Seuche auf die globale Börsenstimmung, während eine kleine Gruppe an Medikamentenentwicklern mit möglichen Gegenmitteln und Schutzmaskenhersteller explosionsartige Kursanstiege verzeichneten.

Laut Michael Hasenstab, Fondsmanager bei Franklin Templeton, besteht die Möglichkeit von Ansteckungseffekten auf die Weltwirtschaft durch Handelsunterbrechungen. In China ist durch die teilweise Einstellung der öffentlichen Verkehrsmittel der private Konsum beeinträchtigt. Durch die Einschränkung der Transport- und Handelswege kann es zu Unterbrechungen internationaler Lieferketten kommen. Wuhan, die Hauptstadt der Provinz Hubei, ist der industrielle Schwerpunkt Mittelchinas und hat neben einem breiten Mix in der Produktion (Motoren-, Schiffs-, Fahrzeug- und Maschinenbau, Zementfabriken, chemische Industrie …) einen Schwerpunkt in der Eisenherstellung und Stahlindustrie mit mehreren Walzwerken. Die Einstellung von Flügen hingegen schadet eindeutig dem Tourismus und zwar weltweit.

Schadensschätzung anhand der SARS-Epidemie 2002/03

Mo Ji, Chefvolkswirtin für China bei Alliance Bernstein (AB), analysierte die Kosten vergangener Seuchen wie z.B. der SARS-Epidemie 2002/03 und leitete daraus eine Prognose möglicher Konsequenzen des Coronavirus für die chinesische Wirtschaft ab. Von der Anzahl der Infizierten her ist SARS durchaus vergleichbar, wobei es bereits jetzt mehr Corona-Fälle gibt. Laut Statistik der WHO war SARS weltweit für fast 8.100 Infektionen und 774 Todesfälle verantwortlich. Die daraus resultierenden Verluste belaufen sich laut Schätzungen von Ökonomen auf 40 MrdUSD, davon 17,5 MrdUSD in China und 8,0 MrdUSD in den USA. Als Orientierungsgröße für Ji gilt in China – wie damals 2002/03 – ein BIP-Rückgang um 2 %-Punkte binnen eines Quartals, und sie schlussfolgert: Wird die Epidemie innerhalb von drei Monaten eingedämmt, könnte Chinas reales Bruttoinlandsprodukt (BIP) um
0,8 % beeinträchtigt werden. Dauert es hingegen neun Monate bis die Behörden die Seuche im Griff haben, droht ein Wachstumsrückgang um bis zu 1,9 %-Punkte.

Bei der aktuellen Reproduktionsrate und den extremen Maßnahmen stehen die Chancen gut, dass bereits im Frühjahr wieder alles vorbei ist. Trotzdem könnte das globale BIP-Wachstum um 0,2 %-Punkte beeinträchtigt werden. Allerdings könnte die chinesische Zentralbank mit einer expansiveren Geldpolitik nochmals kräftig entgegensteuern und so einiges abfedern.

Schlimmer geht’s immer

Doch es können neue Grippemutationen mit hoher Reproduktionsrate wieder auftreten, zumal historisch betrachtet die nächste größere globale Pandemie von Jahr zu Jahr wahrscheinlicher wird. Zuletzt war dies zwischen 1918 und 1920 die Spanische Grippe, die weltweit mindestens 25 Mio Todesfälle verursachte. Laut Schätzungen der Weltbank würde eine derartige Pandemie heute die Weltwirtschaft rund 3 BioUSD kosten, was 4,8 % der globalen Wirtschaftsleistung wären.

Symbolbild: Pixabay / qimono