Coronavirus trifft Börsen ins Mark
Geöffnete Liquiditätsschleusen seien allerdings positiv hervorzuheben, so Experten.
Patrick Baldia. Sie treten äußerst selten und vor allem unerwartet ein und haben drastische Folgen für die Wirtschaft. Die Rede ist von so genannten „Black Swan“-Ereignissen. Einige Beobachter meinen, dass es sich beim Coronavirus um ein solches Ereignis handelt. Andere sehen es wiederum als „Grey Rhinocerus“. Mit der Metapher bezeichnete die US-Autorin Michele Wucker Ereignisse, die sehr wahrscheinlich und äußerst folgenschwer sind, aber dennoch ignoriert werden. Die aktuelle Krise hätte man kommen sehen müssen, denn Epidemien wären nichts Neues bzw. ein immer wahrscheinlicheres Risiko in einer globalisierten Welt, so die Vertreter dieser Meinung.
Der Begriff des „Schwarzen Schwans“ wurde vom Publizisten und Derivatehändler Nassim Nicholas Taleb geprägt. Ihm zufolge würden solche Ereignisse zwar mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit eintreten, im Nachhinein betrachtet wären sie aber durchaus nachvollziehbar. Das trifft sicher-lich auf die Lehman-Pleite 2008 zu. Dass darauf eine Finanz- und Weltwirtschaftskrise folgte, war angesichts der hohen globalen Staatsverschuldung und des spekulativ aufgeblasenen US-Immobilienmarktes rückblickend betrachtet vielleicht doch nicht so überraschend.
So oder so steht fest: Die Auswirkungen des Coronavirus auf die globale Wachstumsperspektive machen sich immer mehr bemerkbar. An den Börsen schlug sich die damit verbundene Unsicherheit in deutlichen Kursverlusten nieder. Der ATX schloss Ende der vergangenen Woche mit einem Rekordverlust. Der Dow Jones mit dem größten Einbruch seit 1987. Die Ironie dabei: Etliche Märkte – wie etwa S&P 500 oder NASDAQ – hatten erst kürzlich historische Höchststände erreicht.
Ende Feber wurden jedenfalls alleine an den US-Börsen rund 5 BioUSD „vernichtet“. Zum Vergleich: Während der Finanzkrise waren es 8 BioUSD. Wie damals folgen die Börsenturbulenzen auf eine längere Phase steigender Kurse. Eine weitere Gemeinsamkeit: Auch diesmal glauben Experten, dass die USA unter den großen Volkswirtschaften am besten aufgestellt sei, um die Krise zu meistern. „Die US-Wirtschaft ist überdurchschnittlich gewachsen und weist einen soliden Arbeitsmarkt auf“, so Jared Franz, Volkswirt bei der Capital Group.
„Die entscheidende Frage ist jetzt, wie lange die Unternehmen durch das Coronavirus eingeschränkt sind und ob es relativ schnell wieder zu einer Normalisierung kommen wird“, so RCB-Chefanalyst Stefan Maxian. Positiv sei, dass die Regierungen – zumindest die meisten – und Notenbanken deutlich erkannt haben, wie darauf zu antworten ist und in hohem Maß Liquidität zur Verfügung gestellt haben. „Die Artillerie ist in Stellung. Das hat bei der Finanzkrise deutlich länger gedauert.“
Das Kniffelige an der aktuellen Situation: der jüngste Ausverkauf fiel mehr oder weniger undifferenziert aus. Selbst defensive Papiere und Large Caps boten nur begrenzt Sicherheit. Immerhin sei China nicht mehr das große Problem, so Maxian. „Die meisten heimischen Unternehmen haben dort ihre Produktion wieder hochgefahren oder sind gerade dabei.“ Ebenfalls positiv: Es gäbe durchaus heimische Werte, die auch in einem Pandemie-Szenario Cashflows generieren könnten.
Etwas Mut macht vielleicht auch, dass bislang alle Korrekturen eine Parallele aufwiesen: Irgendwann geht es an den Börsen wieder aufwärts – allein im Falle des S&P 500 laut Statistik (seit 1950, Anm.) nach knapp 200 Tagen.
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