Outperformance des US-Aktienmarktes könnte anhalten

Abseits des Coronavirus sind die Voraussetzungen für die Wall Street auch heuer intakt

Patrick Baldia. Seit mehr als zehn Jahren stellt der US-Aktienmarkt die internationale Konkurrenz bereits in den Schatten. Kein anderes Bild zeigt sich seit Jahresbeginn: Mit einem Plus von fast 5 % hat der S&P 500 Europa und die Emerging Markets deutlich outperformed. Zuletzt kletterten S&P 500, Dow Jones und Nasdaq-Composite sogar auf neue Rekordhochs. „Nach so einer starken Aufwärtsphase wie 2019 hat man normalerweise nicht den Anspruch, dass ein weiteres sehr gutes Jahr folgt“, zeigt sich auch Gernot Schrotter, Portfoliomanager bei der Kepler-Fonds KAG, überrascht.

Wie Schrotter im Gespräch mit dem Börsen-Kurier erklärt, hat der US-Markt im bisherigen Jahresverlauf von der jüngsten Entspannung im Handelskonflikt sowie höher als erwarteten Unternehmensgewinnen im vierten Quartal 2019 profitiert.

„Der US-Aktienmarkt wird derzeit von Anlegern offensichtlich als etwas defensiver angesehen als andere und punktet damit, dass er weniger Exposure gegenüber Zyklikern und exportlastigen Unternehmen aufweist“, so der Experte zu einem weiteren Grund für die positive Entwicklung. Auch bezüglich des Coronavirus sei in den USA noch wenig Unsicherheit auszumachen.

Die Ausgangslage für ein weiteres gutes Börsenjahr in den USA ist jedenfalls alles andere als schlecht. „In den vergangenen Wahljahren erlebte der Markt nach den Vorwahlen (2020 am 3. März, Anm.) zumeist einen Aufwärtstrend“, so auch Darrell Spence, Volkswirt der Capital Group. Negative Renditen habe es in den vergangenen zwei Dekaden nur in zwei Wahljahren gegeben, und in beiden Fällen sei es nicht auf die Politik zurückzuführen gewesen. Dass sich die US-Börsen in Wahljahren meistens auch gut schlagen, wird im Übrigen auch von diversen Studien bestätigt.

Coronavirus „One Off Event“?
Dass Wahljahre – sowie im Übrigen auch das jeweilige Vorjahr – in den USA gute Börsenjahre sind, wird damit begründet, dass die amtierenden Präsidenten in der Regel alles dafür tun, dass die Wirtschaft gut läuft. Laut Tamas Menyhart, Fondsmanager bei Erste Asset Management (EAM), ist die Hauptfrage in diesem Zusammenhang, wer Anfang November gegen Donald Trump antreten wird. „Handelt es sich dabei um einen gemäßigten Demokraten, wäre das gut für die Börse. Setzt sich allerdings ein linksgerichteter Kandidat durch, wäre das Gegenteil der Fall“, meint er. Tatsächlich: Sowohl Bernie Sanders als auch Elizabeth Warren haben angekündigt, die Steuerreform von Präsident Trump zum Teil rückgängig zu machen und die Medikamentenpreise zu senken. Warren will zudem die US-Techriesen stärker regulieren.

Auch wenn der US-Markt das Coronavirus bis jetzt als „One Off Event“ behandelt hat, steht für Menyhart fest: das Thema werde für viele Unternehmen – vor allem über ihre Supply Chains – negative Folgen haben. „Die wirklichen Effekte werden wir im April sehen, wenn die Zahlen für das erste Quartal berichtet werden“, meint er. Der Experte verweist darauf, dass beispielsweise Apple bereits angekündigt habe, die Umsatzziele für die ersten drei Monate des Jahres nicht erreichen zu können.

Noch schlagen sich die großen US-Technologie-Player überragend – sie haben die starke Kursentwicklung seit Jahresbeginn – wie auch im Vorjahr – getragen. Zur Veranschaulichung: Seit Jahresbeginn hat etwa der Nasdaq-Composite, in dem überwiegend Techwerte gelistet sind, um 9 % zugelegt, der von Industrieunternehmen dominierte Dow Jones hingegen nur um 2 %. Zykliker wie Energie-, Auto- und Rohstoffwerte haben sich zuletzt hingegen schwer getan. „Daran wird sich – ebenso wie an der Tech-Dominanz – so schnell nichts ändern“, so Menyhart. 

Nicht von der Hand zu weisen ist jedenfalls, dass der US-Markt mit einem KGV von rund 22 (S&P 500) durchaus – wie es Schrotter umschreibt – „sportlich“ bewertet ist. „Eine hohe Bewertung bedeutet allerdings nicht, dass es sofort zu einer Korrektur kommen wird“, stellt er klar.

Der Argumentation, dass das Niedrigzinsumfeld den Bewertungsaufschlag rechtfertigt, könne er sich im Übrigen nicht gänzlich anschließen. Falls es jedenfalls doch zu einem Abschwung kommen sollte, erwartet er, dass sich sein Fonds stabiler entwickelt als der Index (S&P 500, Anm.). Der Hintergrund: die verfolgte defensive Aktienstrategie. 

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