Ist die Wohnimmobilienhausse zu Ende?

Im Vorjahr gab es EU-weit noch steigende Hauspreise – doch nun droht eine Abkühlung.

Michael Kordovsky. In den vier Quartalen des vergangenen Jahres lagen auf Jahresbasis die Anstiege der Wohnimmobilienpreise des Euroraums bei 4,1 bis 4,3 %, zuletzt im vierten Quartal bei 4,2 %. Seit 2016 betragen die Anstiege der Wohnimmobilienpreise im Euroraum rund 4 % p.a. Das lässt sich gut mit der Ausweitung der Geldmenge M3 (in Eurozone) erklären, die von 2015 bis 2019 um 4,6 % p.a. stieg und sich in steigenden Immobilienpreisen entlud, zumal Grund und Boden nicht beliebig vermehrbar sind. Die Geldmengenausweitung fand also in Asset-Inflation ihren Niederschlag, wobei je nach Immobilienmarkt individuelle Faktoren eine Rolle spielten.

Was dabei an den europäischen Hauspreis-Indizes so praktisch ist, ist deren breites Spektrum an Komponenten, denn: Der Hauspreisindex (HPI) misst die Preisentwicklungen aller von Haushalten erworbenen Wohnimmobilien (Wohnungen, Einfamilienhäuser, Reihenhäuser usw.), sowohl Neu- als auch Altbauten, unabhängig von ihrer endgültigen Verwendung und ihren bisherigen Eigentümern. Die HPIs stellen die nationalen Statistikämter bereit und die Aggregate für Euroraum und EU stammen von Eurostat.

Die HPIs waren zuletzt EU-weit auf breiter Front im Aufwind. Lediglich Zypern zeigte im vierten Quartal einen Schwächeanfall (-4,8 %). Am stärksten haben sich indessen die Wohnimmobilienpreise in folgenden Ländern verteuert: Luxemburg (11 %), Slowakei (10,9 %), Kroatien (10 %), Polen und Lettland (je 9,4 %). Generell herrschen in Osteuropa wirtschaftliche Aufholprozesse.

Hingegen schon länger stagnierend zeigen sich die Immobilienpreise in Italien. In Deutschland und Österreich lagen die Anstiege im vierten Quartal bei jeweils 5,7 bzw. 6,2 %.

Etwas differenzierter misst indessen der von der OeNB veröffentlichte Wohnimmobilienpreisindex für Österreich, der außerhalb Wiens bereits in der zweiten Jahreshälfte 2019 eine Verlangsamung der Preissteigerungen signalisierte. Im dritten und vierten Quartal verlangsamten sich hier die Jahresteuerungen auf 1,7 bzw. 1,2 % nach noch +4,1 % im ersten Quartal 2019 und 8,5 % im Gesamtjahr 2018.

Unsicherheitsfaktoren Corona und Frankenkurs
Infolge von Mietausfällen kommen Vermieter mit wenig Reserven immer mehr unter Druck. Noch ist Stundung von Kreditratenzahlungen und Überbrückung angesagt. Doch sollten die Wohnimmobilienpreise zwischenzeitlich um 10 bis 20 % unter Druck geraten und gleichzeitig längerfristig zahlreiche Ratenzahlungen in Frage gestellt sein, dann kann es vermehrt zu Zwangsversteigerungen kommen.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor bleiben noch die Wohnbaukredite in Schweizer Franken für den Fall einer schnellen und stärkeren Frankenaufwertung. Immerhin waren in Österreich private Haushalte im 3. Quartal 2019 noch immer mit umgerechnet 13,2 Mrd Euro in Frankenkrediten verschuldet.

Wetterleuchten
Dass sich am Immobilienmarkt durch die jüngsten Einschränkungen zur Pandemiebekämpfung etwas verändert hat, zeigen erste Nachfrage-Indikatoren. Laut einer aktuellen Online-Publikation der Immobilienexperten von EHL (vom 25.3.) zeigt die Corona-Krise erste Auswirkungen auf den österreichischen Wohnimmobilienmarkt: „Im Vergleich zur Zeit vor Beginn der Krise sind die Anfragen hinsichtlich Anmietung oder Kauf einer Wohnung drastisch zurückgegangen und liegen zwischen 30 und 40 % des Normalniveaus“, so eine wichtige Kernaussage der Experten. Und: Bei Vorsorgewohnungen liegt die Zahl der Anfragen bei etwa 50 % des Normalniveaus. Hier gibt es gewisses Investoreninteresse. Das Verhalten der Marktteilnehmer wird unberechenbarer. Mittlerweile kommt es nämlich bei Eigentumswohnungen wegen der wirtschaftlichen Verunsicherung zu vereinzelten Rücktritten von Kaufangeboten. Das haben Immobilienexperten zuletzt beobachtet.

BIP-Schrumpfung und Arbeitslosigkeit wirken vorerst deflationär, also preisdrückend am Immobilienmarkt. Doch die massive Betätigung der Notenpresse von Fed, EZB, Bank of Japan, Bank of England, etc. und die bereits jetzt eingesetzten Versuche der Notenbanken, durch niedrige Leitzinsen und massive Anleihen-Käufe das Zinsniveau nach unten zu drücken, könnten bald wieder zu einer Reflationierung auf der Asset-Seite (Aktien und Immobilien) führen – und dies im Rahmen eines längeren Stagflationsszenarios (niedrige Wachstumsraten bei erhöhten Inflationsraten von z.B. 3 bis 4 %) ähnlich der 70er-Jahre.

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