Aktien wie im Supermarkt
Börsen zwischen Hoffen und Bangen. Viele gute Aktien sind aktuell um 20 % billiger als zu Jahresbeginn.
Bankhaus Krentschker. Die Zwischenbilanz des bisherigen Börsenjahres erinnert an die viel zitierte Hochschaubahn. Startete das Jahr noch mit neuen Rekorden an den Aktienmärkten, so war spätestens Ende Feber klar, dass der Coronavirus keine asiatische Angelegenheit bleibt. Die Börsen gingen Anfang März in den Krisenmodus und erlebten einen Rückgang in einem Satz ohne nennenswerter Kurserholung. Der „Schwarze Schwan“ hatte zugeschlagen: Ein Ereignis, das völlig unberechenbar und wie aus dem Nichts ein System beinahe aus den Angeln hebt. Zwischenzeitlich scheint der Märzschock etwas verdaut und es wird Zeit, sich wieder nach soliden Werten an den Börsen umzusehen, schreiben die Experten der Bankhaus Krentschker & Co. AG in einem aktuellen Marktkommentar.
Monetärer Tsunami
Wie bei jeder Krise ist trotz der Dramatik ein nüchterner Blick empfehlenswert. Diesmal waren die Vorzeichen im doppelten Sinne anders. Auf der einen Seite mediale und reale Panik, da der Virus bei uns allen im Alltag angekommen und Verunsicherung ausgelöst hat. Andererseits aber auch die Erkenntnis, dass die Ursache nicht in der Wirtschaft zu suchen ist, wie etwa im Jahr 2008 innerhalb des Finanzsektors, sondern eben extern durch einen kleinen Virus ausgelöst wurde. Obwohl die Maßnahmen anfänglich rigorose Einschnitte erforderten, war schnell klar, dass auch die Erholung nicht lange auf sich warten lässt. Die Politik startete beispiellose Hilfsprogramme rund um den Globus. In Summe stehen weltweit mittlerweile rund 7 BioUSD an Hilfen, Förderungen und sogar Helikoptergeld, also Geldgeschenke quer über die Bevölkerung, bereit. Dieser monetäre Tsunami trifft nun auf eine sich verknappende Güternachfrage und sogleich wurden Stimmen laut, dass dies die Inflation in kurzer Zeit anheizen könnte. Gold hat folgerichtig den Weg nach oben gefunden und Rohöl sackte aufgrund der abfallenden Wirtschaftsleistung ab. Ein Streit der weltweit führenden Ölproduzenten verschärft diese Krise noch, sodass der Rohölpreis derzeit auf dem niedrigsten Niveau seit Jahrzehnten notiert. Und ein Ende nach unten ist in diesem erbarmungslos absurden Streit und der massiven Überproduktion aufgrund sinkender Nachfrage und übervoller Lager nicht abzusehen. Billige Rohstoffe sind aber grundsätzlich für die Unternehmen positiv.
Die Nebel lichten sich rasch
Sieben Wochen nach Ausbruch der Krise in Europa sollte man erste Schlussfolgerung für die weitere Zukunft ziehen. Das Bankhaus Krentschker hat schon früh den Vergleich zu anderen pandemieartigen Krankheiten der letzten 30 Jahre gezogen und aufgezeigt, dass diese das Zeug haben, abgestürzte Börsen überproportional schnell wieder aufzurichten. Sehr oft wurden in der Vergangenheit in darauffolgenden Monaten sogar neue Höchststände an den Aktienmärkten verzeichnet, sodass eine rasche Erholung auch diesmal nicht wirklich überraschend ist. Solche Krankheitsverläufe starten explosionsartig, aber wurden bisher immer wieder sehr schnell unter Kontrolle gebracht. So auch diesmal. Die Börsen honorierten dies und erholten sich vom Märzschock schon wieder deutlich. Überholt sind die ersten Horrorschätzungen von Ökonomen, die einen BIP-Absturz von bis zu 25 % für die führenden Wirtschaftsnationen vorhergesagt hatten. In der Zwischenzeit hat man sich auf mittlere einstellige Minuszahlen in der Erwartung eingependelt. Rund 50 % des Absturzes sind an den Aktienbörsen nun aufgeholt. Die Frage, wie es in der Wirtschaft weitergeht, ist für mittelfristige Anleger weiter sekundär.
Zu seinen Investments stehen
Klar ist, dass die Erholung kommen wird. Die ersten Maßnahmen wirken sehr gut und das „Hochfahren“ der Wirtschaft beginnt wie der Frühling die Temperaturen steigen lässt. Die „alte“ Normalität wird zwar sicherlich erst mittelfristig mit einer erfolgreichen Impfung erreicht, aber sie wird erreicht werden. Und alleine das ist aktuell wichtig. Darüber hinaus sollte man in dieser turbulenten Zeit zu seinen Investments stehen bzw. den offenen Supermarkt der Wertpapiere zum Nachkauf nutzen, da viele gute Werte um 20 % billiger als zu Jahresbeginn sind. Zusätzlich muss man überlegen, welche Unternehmen von dieser Krise profitieren werden. Die Digitalisierung wird schneller vorankommen und alle Firmen, die in diesem Segment ihr Geld verdienen, stehen auf der Einkaufsliste ganz oben. Aber auch Firmen im Gesundheitswesen oder in der Energiegewinnung können punkten. Speziell auch Ölwerte werden nach dem Streit der OPEC+ und der aktuellen Überproduktion wieder ihren Weg nach oben finden. Auf alle Fälle müssen Sie nach innen kerngesund sein, genug Vermögensreserven halten und Platzhirsche ihrer Branche sein.
Vorsicht ist allerdings bei Unternehmen, die im weiteren Sinne im Tourismus beheimatet sind oder damit ihr Geld verdienen, angebracht. Sie werden noch länger bis zur „Normalität“ brauchen. Doch auch unter diesen kann man sich spekulativ die gesündesten Exemplare heraussuchen und in diese investieren, denn sie werden aktuell deutlich unter Buchwert gehandelt. In diesem Segment ist die Diversifikation noch wichtiger, aber der Hebel zum möglichen Erfolg dafür umso attraktiver.
Rückschläge
Schlechte Unternehmensmeldungen, die jetzt vermehrt auf den Markt kommen, werden weiter zwischenzeitlich zu Rückschlägen an den Börsen führen. Es wird erkennbar sein, dass für längere Zeit die „neue“ Normalität nicht die „alte“ Normalität sein wird. Verluste, verlängerte Kurzarbeit und Hilfsgesuche machen täglich die Runde. So zeigt der vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erhobene Index der momentanen Konjunkturlage mit minus 91,5 Punkten ein düsteres Bild, jedoch stieg der Index der Konjunkturerwartung auf ein Niveau von 28,2 Punkten an. Das ist gegenüber dem Vormonat eine deutliche Verbesserung. Diese Konstellation zwischen aktueller Lage und Zukunftserwartung gab es zuletzt in der Finanzkrise im April/Mai 2009. Damals wie heute gilt aber, dass an den Börsen die Zukunft und nicht die Gegenwart gehandelt wird. In den nächsten Monaten muss nun genau beobachtet werden, ob die Krise nun effektive Insolvenzen mit sich zieht, wie die Banken, die in der Regel deutlich besser als vor zehn Jahren aufgestellt sind, diese Last abfedern können und ob staatliche Hilfsprogramme die finanzielle Stabilität gefährden, so Krentschker.
Neues altes Szenario
Auf Italien muss besonders geachtet werden, wenngleich Europa eine Lösung finden wird, wenn auch nicht in gemeinsamen Euro-Corona-Bonds. Da die Renditeaufschläge für die verschuldeten und in der derzeitigen Krise besonders belasteten Staaten aktuell weiterhin nahe dem Normalbereich liegen, liegt der Schluss nahe, dass die EZB bereits im Hintergrund sehr aktiv die Fäden zieht. Somit gilt als wahrscheinlichstes Szenario, dass die Zinsen weiterhin niedrig bleiben und die Beschwörer der Hyperinflation noch weitere Jahrzehnte auf die Erfüllung ihrer Prognosen warten müssen. Die zusätzliche Geldmenge, die nun in signifikant höherem Ausmaß als in der letzten Finanzkrise auf den Markt kommt, wird erstens von den Notenbanken wieder rechtzeitig vom Markt abgezogen werden und zweitens wird ein noch größerer Teil davon in Wertpapiere, speziell Aktieninvestments wandern. Somit hätten wir exakt das gleiche Szenario, welches uns nun schon in den letzten Jahren seit der Finanzkrise 2008 begleitet hat. Das alles sind Anzeichen einer mittelfristig sehr positiven Entwicklung auf den Aktienmärkten, die primär nur durch einen herben Rückschlag in der Bekämpfung des Virus gestört werden kann. Eine zweite Infektionswelle oder das Ausbleiben eines mittelfristig verfügbaren Impfstoffs wären nicht nur aus dem Aspekt der Gesundheit heraus eine schlimme Situation, sondern würden auch das jetzige Marktniveau keineswegs mehr rechtfertigen. Aber die aktuellen Nachrichten aus der Medizin können uns durchaus optimistisch in die Zukunft blicken lassen.
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