„Darf Kundenbetreuung etwas kosten?“

Die Anforderungen an Versicherungsmakler sind enorm gestiegen. Das darf auch was kosten.

Manfred Kainz. In der Zeit des Shutdown haben wir alle festgestellt, wie persönliche Dienstleistungen fehlen können. Und wie bei allem im Leben ist es auch bei der individuellen Betreuung: Wie wertvoll sie ist, merken wir erst dann so richtig, wenn sie nicht uneingeschränkt verfügbar ist. Jetzt wo auch wieder „echte“ Kundentermine von Angesicht zu Angesicht (nicht nur via Bildschirm) erlaubt sind, werden wohl mehr Kunden als früher die Frage „Darf Kundenbetreuung etwas kosten?“ mit „Ja“ beantworten.

Das tut auch Martin J. Wienerroither, der Obmann-Stellvertreter der Fachgruppe Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten der Wirtschaftskammer Niederösterreich und Leiter des dortigen Arbeitskreises Bildung. Wie man die wertvolle Dienstleistung „Unabhängige Versicherungsvermittlung“ für den Kunden transparent darstellt, erläutert er auch in eigenen Workshops. Er meint, dass Kunden wohl erkennen können, dass Dienstleistung „eine fachlich kompetente Unterstützung zum Vorteil und zur gleichzeitigen Entlastung der Klienten“ ist. Versicherungsmakler im Besonderen würden eine notwendige Dienstleistung erbringen, die „weit über das Vermitteln von Verträgen hinaus geht“, so Wienerroither. Und: „Um dem Maklergesetz, der IDD, DSGVO und anderen Vorgaben sowie den Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden, sowie auch der Haftungsproblematik aus dem Weg zu gehen, sind Dienstleistungen zu erbringen die mit der Provision alleine – bei richtiger Kalkulation – nicht abgegolten sind.“

Wert sichtbar machen
Aber wie kann man den „Wert Dienstleistung“ dem Kunden „vermitteln“? Ihn ihm sichtbar machen? Den Kunden zur Mitarbeit einladen, durch Fragestellung die gewünschte Dienstleistung in Erfahrung bringen, dem Kunden die Vorteile aus dem Angebotenen auf Basis seines Bedarfs darstellen, dem Kunden bislang verborgen gebliebene Tätigkeiten aufzeigen, ihm notwendige und zusätzliche Leistungen darstellen, zählt der Praktiker auf.

Schon die Aufzählung der Dienstleistungen, die allein von § 28 Maklergesetz zur Wahrung der Interessen des Versicherungskunden verlangt sind, würden diesem (mehr) Verständnis geben. Und dazu kommen ja noch die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Fristen und im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung.

Wofür Provision?
Für Wienerroither steht daher die Vermittlerprovision „nicht für Risikoerfassung, Ausschreibung, Vergleichsdarstellung, Präsentation, Beratung, Platzierung mit End- und Sonderverhandlung, Polizzen-Kontrolle und Schadenserledigung – sondern, um einen Versicherer zu finden, der das Risiko des Kunden zeichnet und um für diesen den notwendigen Versicherungsschutz zu bekommen“. Für all die anderen Leistungen meint der Praktiker: „Kunden, die ‚Sie‘ und Ihre Leistungen schätzen, wissen dies zu honorieren.“ Dafür müsse man aber am Ball bleiben, d.h. seinen Maklerbetrieb und die Entwicklung des Dienstleistungsangebotes intern beleuchten.

Analysieren und planen
In seinem eigenen Unternehmen begann es mit einer Analysephase, unter anderem mit einer Markt- und Umfeldanalyse sowie einer Machbarkeits-Analyse, was das Personal und den Zeitaufwand betrifft. Zusammen mit den strategischen-, Kunden- und Mitarbeiter-Anforderungen ermöglichte dies ein Grobkonzept Dienstleistung.

Daran anschließend brauchte es Planung der Leistungen zum Kundennutzen, der Prozesse und Abläufe, der Ressourcen, des Marketingkonzepts in der Beratung, der Argumentation sowie der Umsetzung mit Zeitplan.

Zwei Modelle
Daraus entwickelte Wienerroither ein „Produktmodell Dienstleistung“, das beschreibt, „was geleistet wird, nicht wie“; plus ein Prozessmodell, das beschreibt, „wie die Ergebnisse einer Dienstleistung zustande kommen“. Und intern brauche es ein „Ressourcenkonzept“ zur Planung der Kapazitäten für die Erbringung der Dienstleistung: Wie viele Kunden können mit wie vielen Mitarbeiten und welchen verfügbaren Dienstleitungsstunden betreut werden?

Servicevertrag
Am Ende stand die interne Implementierung, die Bekanntmachung im Kundenstamm und am Markt und ein „Servicevertrag“: mit klarer Regelung durch (neben den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kanzlei) Geschäftsbedingungen hinsichtlich Vertragsdauer, Leistungen des Servicevertrages, Kündigungsmöglichkeiten, Kosten- und Inkassoregelung.

Erfolgskontrolle über die Servicevertrags-Regelung in der Praxis ergibt sich durch die Kundenzufriedenheit, die Mitarbeiterzufriedenheit und die Wirtschaftlichkeits-Betrachtung.

Mut haben
Wienerroithers Fazit: Honorarverrechnung festigt die persönliche Kundenbindung und -beziehung: Seine Kunden seien „bereit“, für Sonderleistungen zu zahlen. Alle seriösen Makler, die bereit seien, für ihre Kunden das nötige „Mehr“ zu leisten bzw. sich von „Produktverkäufern“ abheben wollen, sollten diese Leistungen nicht kostenlos erbringen. Daher lautet sein Appell: „Wer den Mut hatte, sich als Versicherungsmakler selbstständig zu machen, kann auch den Mut haben, für seine vielfältigen Leistungen zu Gunsten seiner Kunden Geld zu verlangen.“

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