„Wir wollen einen Green Deal“

Im Rahmen einer Diskussionsreihe sprachen Top-Manager über die nachhaltige Wirtschaft post Corona.

Patrick Baldia. Der Börsen-Kurier hat die von der VBV-Vorsorgekasse initiierte Diskussion per LiveStream mitverfolgt und interessante Statements gesammelt.

VBV: Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass die Bekämpfung des Klimawandels durch die Covid-19-Krise ins Hintertreffen gerät?

Andreas Zakostelsky, CEO der VBV-Vorsorgekasse: Eine aktuelle Umfrage unter 1.500 Personen ist zu einem interessanten Ergebnis gekommen: 88 % der Befragten sind der Meinung, dass wir nach der Krise einen grünen Wiederaufbau benötigen. Das bedeutet auch, dass die nationalen Hilfspakete mit entsprechenden Umwelt-Auflagen verknüpft werden müssen – etwa im Falle der AUA. Wir fordern ganz klar: Covid-19-Krise und Klimakrise dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Michaela Reitterer, Chefin des Boutiquehotels Stadthalle und Präsidentin der Hoteliervereinigung: Wir müssen jetzt mit Hinblick auf die Zukunft agieren. Unternehmen, die von der Covid-19-Krise besonders betroffen sind, müssen Eigenkapitalhilfe bekommen. Das wäre sinnvoller als sie mit verlorenen Zuschüssen zu unterstützen. Gleichzeitig müssen Eigenkapitalstützen mit Vorgaben verbunden werden, die etwa besonders innovative Unternehmen fördern. Der angekündigte Green Deal darf nicht vergessen werden.

VBV: Wo sehen Sie in diesem Zusammenhang die größten Stolpersteine?

Hubert Rhomberg, CEO und Eigentümer von Rhomberg Bau: Es ist unbestritten, dass jetzt sehr viel Geld investiert werden muss. Klar ist auch, dass dieses in „grünes“ Wachstum gehen muss. Das Problem ist hier nicht der fehlende Wille – sowohl die Bevölkerung als auch die Politik wollen das. Skeptisch machen mich vielmehr die derzeitigen Strukturen. Wir müssen auch Regeln abbauen bzw. bestehende Barrieren und Schranken neu prüfen und Prozesse verschlanken.

VBV: Muss das bestehende System überdacht werden?

Josef Zotter, Gründer der Zotter Schokoladen Manufaktur: Wir haben 500.000 Arbeitslose. Alleine schon deshalb können wir nicht davon ausgehen, dass wir schnell wieder zur Normalität zurückkehren werden. In den letzten 30 Jahren wurde von nichts anderem als Wachstum geredet. Wieso kann man nicht auch schrumpfen? Wir müssen wieder lernen, zu wirtschaften. Dafür brauchen wir Zinsen. In den vergangenen Jahren hatte man den Eindruck, dass das Geld abgeschafft wurde. Klar ist, dass viele Branchen keine Umsätze haben. Trotzdem kann man nicht alles mit gedrucktem Geld fördern. Wieso sollte man einer Fluglinie Geld schenken? Sie muss dafür Zinsen zahlen. Ansonsten werden wir dieselbe Situation wie vor der Krise haben: Dass man beispielsweise „für kein Geld“ nach Barcelona fliegen kann.

Roland Fink, Gründer und Geschäftsführer der niceshops Gruppe: Wir sind uns alle einig, dass wir einen „Green Deal“ brauchen. Aber auch gleiche Regeln, die nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa sowie der ganzen Welt gelten. Was mich in diesem Zusammenhang skeptisch macht, ist die fehlende Solidarität.

VBV: Glauben Sie, dass Unternehmen, die Nachhaltigkeit leben, besser durch diese und künftige Krisen kommen?

Reitterer: Ja, davon bin ich überzeugt. Die Menschen wollen einen grünen Re-Start. Das erfordert aber auch ein Umdenken. Wenn man sich bis jetzt nur über den billigsten Preis definiert hat, dann hat man verloren. Das hat auch nichts mit nachhaltiger Unternehmensführung zu tun. Hat man hingegen eine Geschichte zu erzählen hat, ist man wahrnehmbarer.

VBV: Was würde Ihren Unternehmen helfen bzw. welche politischen Maßnahmen wären nun sinnvoll?

Zotter: Wir wollen einen „Green Deal“. Jetzt ist die Zeit, wo die Politik wirklich führen kann. Sie hat es selbst in der Hand.

Rhomberg: Die Transparenz muss erhöht werden. Es muss klar kommuniziert werden, wohin wie viel Geld fließt. Die Bürger haben das Recht, das zu erfahren. Gleichzeitig ist auch Deregulierung wichtig. Bürokratische Hürden sind oftmals zu hoch.

Fink: Ich wünsche mir noch mehr Investitionen in Zukunftstechnologien und Infrastruktur. Branchen, die coronabedingt auf null abgestürzt sind, müssen gestützt werden – etwa mit Zuschüssen. Man muss aber sehr genau hinschauen, wem man unter die Arme greift.

Wolfgang Anzengruber, CEO der Verbund AG: Wir benötigen einen rechtlichen Rahmen, der vorgibt wie nachhaltige Investitionen künftig stattfinden sollen und erfolgreich sein können. Die Covid-19-Krise ist schlimm genug. Die Klimakrise, die uns erwartet, ist allerdings noch viel schlimmer. Fest steht, dass wir ein massives Eigenkapitalproblem erleben werden. Daher müssen wir uns ein Eigenkapitalmodell überlegen, das Unternehmen das Überleben sichert. Darüber hinaus brauchen wir eine CO2-Bepreisung und eine ökosoziale Steuerreform. Weiters muss es bei der Förderung konkrete ökologische Auflagen geben.

Zakostelsky: Unsere Forderungen an die Politik betreffen drei Bereiche: Erstens ist es die Aufgabe der Politik, einen gesellschaftlichen Grundkonsens herzustellen, dass der Klimawandel eine eigene Krise darstellt. Damit muss heute begonnen werden. Zweitens gehören eine CO2-Preisberechnung sowie eine ökosoziale Steuerreform in die nationale Gesetzgebung. Drittens müssen alle Konjunkturpakete, die auf EU-Ebene eingeleitet werden, den langfristigen Zielen des Pariser Klimaabkommens entsprechen.

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