Treibt die Krise die Häuserpreise nach oben?
Die geldpolitischen Rahmenbedingungen begünstigen Immobilien.
Michael Kordovsky. Die weit verbreitete Meinung war, dass Mietausfälle und Mietstundungen die Immobilienpreise unter Druck setzen könnten. Das mag bei Gewerbeimmobilien im Bereich Tourismus, Gastronomie und Einzelhandel teilweise der Fall sein. Wohnen hingegen ist ein Grundbedürfnis. Bevor Privatpersonen mit ihrer Wohnungsmiete in Verzug geraten, zögern sie noch alle anderen Zahlungen hinaus. Somit fließen auch in schlechten Zeiten die Mieteinnahmen aus Wohnimmobilien relativ regelmäßig. Und es kommt noch besser:
Geldmenge und Entwicklung sprechen für Inflation
Die Europäische Zentralbank hat ihre Bilanzsumme vom 6. Dezember 2019 bis 10. Juli 2020 von 4.709,3 auf 6.309,2 Mrd Euro ausgeweitet. Das entspricht mittlerweile rund 53 % der Wirtschaftsleistung der Eurozone im Jahr 2019. Rechnet man das bisherige Ankaufprogramm öffentlicher Anleihen und das im Zuge des PEPP (Pandemic emergency purchase programme) akkumulierte Volumen italienischer Staatsanleihen zusammen, kommt man bis Ende Juni auf eine Nettokauf-Summe von 435,9 Mrd Euro. Die PEPP-Daten reichen dabei nur bis Ende Mai 2020. Das PEPP ermöglicht sogar den Kauf griechischer Staatsanleihen. Bis dato hat die EZB ein Volumen von ca. 4,7 Mrd Euro erworben. Dadurch verschlechtert sich im Laufe der Zeit die Asset-Qualität der EZB.
Christian Rieck, Professor für Finance und Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences, sieht für die Inflation nicht die Geldmenge an sich, sondern vielmehr die Qualität der Zentralbankbilanz als entscheidenden Faktor. Laut Rieck ist diese Entwicklung auch im Eigenkapital sichtbar. Machten vor zehn Jahren in der Bilanz des Eurosystems Kapital und Rücklagen noch 3,9 % der Bilanzsumme aus, waren es zuletzt nur noch 1,7 %.
Gleichzeitig hat die EZB in der Corona-Krise die Geldmenge M3 stark ausgeweitet. Sie stieg von Ende Dezember 2019 bis Ende Mai 2020 um 6,1 % auf 13,79 Bio Euro. Je nach vertretener Lehrmeinung zur Inflation könnte entweder die Geldmengenausweitung im ersten Quartal 2020 in den europäischen Hauspreisen Niederschlag gefunden haben oder die Anleger flüchteten aus Angst vor Geldentwertung in Betongold.
Beschleunigter Wohnimmobilien-Preisauftrieb
Fakt ist, dass im Euroraum und der EU die Hauspreisindizes im ersten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um jeweils 5,0 bzw. 5,5 % stiegen – eine Beschleunigung gegenüber den Vorquartalen. Im Euroraum lagen beispielweise die Wohnimmobilienpreisanstiege im zweiten, dritten und vierten Quartal 2019 bei jeweils 4,5; 4,3 bzw. 4,5 %.
Der Hauspreisindex (HPI) misst dabei die Preisentwicklungen aller von Haushalten erworbenen Wohnimmobilien (Wohnungen, Einfamilienhäuser, Reihenhäuser usw.), sowohl Neu- als auch Altbauten, unabhängig von ihrer endgültigen Verwendung und ihren bisherigen Eigentümern. Die HPIs der Mitgliedstaaten erstellen nationale Statistikämter, während Eurostat die HPI-Aggregate als gewichtete Durchschnitte (BIP ausschlaggebend) der nationalen HPIs berechnet.
Quer durch die EU (inklusive Großbritannien) betrachtet, hat sich der Preisanstieg bei 19 Staaten vom vierten Quartal 2019 auf das erste Quartal 2020 beschleunigt. Nur sieben Staaten zeigten rückläufige Entwicklung, während Griechenland keine Daten lieferte. Die stärksten Hauspreisanstiege verzeichneten Luxemburg (14 %), die Slowakei (13,1%), Estland (11,5 %) und Polen (11,3 %). Am schwächsten waren indessen die Entwicklungen in Ungarn (-1,2 %), Irland (1,0 %), Zypern (1,1 %) und Finnland (1,4 %). Ebenfalls mäßig war die Preissteigerung mit 1,7 % in Italien, das seit der Finanzkrise unter schwachen Wirtschaftsaktivitäten leidet.
Zwar spielen regionale Gegebenheiten hier eine Rolle, aber grundsätzlich ist die jüngste Flucht der Anleger in Betongold (schwindendes Vertrauen ins Finanzsystem) der Hauptfaktor. Auch in Österreich hat sich der Preisanstieg von 6,2 % im vierten Quartal 2019 auf 7,7 % im ersten Quartal 2020 beschleunigt, zumal Banken hierzu-lande das Hypothekarkreditgeschäft forcieren.
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