Gut gemeint – schlecht gewirkt

Eine Kundenumfrage zu MiFID II zeigt: Info-Flut überfordert und vertreibt vom Kapitalmarkt.

Manfred Kainz. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, heißt es. Kritiker meinen das auch in der Beurteilung der Effekte der 2. EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente („Markets in Financial Instruments Directive“ MiFID II). Die ist seit 2018 in Kraft. Zwei ihrer Ziele sind die Markt- und Produkttransparenz zu erhöhen und den Anlegerschutz zu verbessern. Dafür setzen die Richtlinie und ihre nationale Umsetzung auf strenge Informations- und Dokumentationspflichten für die Anbieter und Intermediären. Nun, nach zwei Jahren Praxiserfahrungen, stellt sich die Frage: Führt(e) die Informationsbeglückung zu einer Überforderung von Kunden und erschwerte die Wertpapierberatung sogar? Bewirkte man also das Gegenteil des Beabsichtigten?

Diese Frage war Thema des Bankenkongresses KURS 2020 des Veranstalters imh, und heimische Bankenvertreter aus den Bereichen Compliance und Wertpapiere beantworteten sie mit „Ja“: Retail-Kunden würden sich ob der Informationsflut überfordert und teilweise sogar verärgert fühlen. Mittlerweile sei auch Resignation zu bemerken: „Kunden schmeißen die zugesendeten Infos halt weg.“ Das berge aber das Risiko, dass doch wichtige Informationen verloren gehen. Informationsüberforderung führe auch dazu, dass Kunden ihre Wertpapierengagements zurückfahren oder zu ausländischen Onlinebrokern ausweichen.

Ausoptieren?
Deshalb habe man als Bankensektor in der laufenden „MiFID-Review“ vorgeschlagen, dass Kunden doch die Möglichkeit haben sollten, selbst zu entscheiden, welche Infos sie erhalten wollen. Aber die für die Standards zuständige EU-Behörde ESMA (European Securities and Markets Authority) sei unnachgiebig und gegen so ein „Opting out“ von Privatkunden.

Um ihrem Wunsch, die Kunden nicht mit einer Flut an Informationen zu überfordern und zu vertreiben, gegenüber Behörden und Gesetzgebern Nachdruck zu verleihen, beschloss man banken- und sparkassenseitig, die Kunden zu befragen. Beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband war man da schneller und die Ergebnisse ihrer Kundenumfrage seien auch für das österreichische Anlegerverhalten sehr repräsentativ, wie beim Bankenkongress zu hören war. Die Kundenmeinungen sollten jedenfalls die Alarmglocken schrillen lassen.

Was Kunden (nicht) wollen
62 % der Kunden fühlen sich vom Umfang der MiFID-II-bedingten obligatorischen Informationen überfordert. 65 % verlieren den Überblick bei all den Informationen. 66 % fühlen sich nicht besser informiert. 77 % der Kunden helfen die erweiterten Informationen nicht, den Inhalt besser zu verstehen. Und 71 % der Kunden fragen, ob sie auf die Informationen verzichten können.

Raus aus Wertpapieren
Noch kontraproduktiver ist, was die Umfrage weiters zeigt. Nämlich, dass sich sehr viele Kunden vom Kapitalmarkt zurückziehen, weil sie von Infos regelrecht „überschwemmt“ werden: 27 % der Kunden möchten in Zukunft weniger am Kapitalmarkt veranlagen und sich weniger komplexen Veranlagungen zuwenden („Zurück zu Spareinlagen“), 34 % der Kunden wollen sich aus Anleihen zurückziehen. Und am alarmierendsten im Hinblick auf die private Vermögensbildung: 28 % der Kunden wollen sich aus Anlagen in Aktien zurückziehen, 29 % aus Fonds.

Fazit: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“ scheint auf die Auswirkungen, die MiFID II auf Anleger in der Praxis hat, zuzutreffen. Das und die Kundenreaktionen konterkarieren aber alle Bemühungen, private Vermögensbildung am Kapitalmarkt, und besonders Privataktionärstum, zu fördern. Ob das im Sinne der Erfinder ist?

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